Auch schon älter, aber bevor es verloren geht
Wenn man nicht das Passende findet oder die Klamotten von der Stange unbezahlbar sind bleibt einem oft nur der Weg zum Schneider (was dann genauso unbezahlbar ist). Ich habe lange nach einem vernünftigen Anorak gesucht, jedoch findet man im einschlägigen Fachhandel meist nur Kunstfaserklamotten, die den Funkenflug am Lagerfeuer oft mit hässlichen Brandlöchern quittieren. Es gibt auch Produkte aus Naturfasern, die zwar dem Lagerfeuer und auch dem Wind gewachsen sind, aber dafür nicht besonders lange vor Regen schützen (und davon gibt es hier im Sauerland bekanntermaßen reichlich).
Auf der Suche nach passenden Stoffen und Schnittmustern bin ich im Netz schließlich fündig geworden. Ich habe als Basis für mein Projekt das Schnittmuster “Fairbanks-Anorak” von green-pepper verwendet. Das Schnittmuster selbst ist zwar auf englisch, aber durch die Zeichnungen eigentlich fast selbsterklärend. Als Stoffe wurden Fleece und spezielle Membrane empfohlen, aber ich wollte ein robusteres Obermaterial und habe mich für EtaProof 170 entschieden, einem speziell verarbeiteten Baumwollstoff. Stoffe, Schnittmuster und Zubehör bekommt man übrigens bei Funfabric oder Extremtextil, ich habe Nachmittags bei Funfabric bestellt und die Lieferung war am nächsten Morgen schon da!
Für das Innenfutter habe ich einen Leinenstoff verwendet um ein angenehmeres Klima in der Jacke zu haben, denn Leinen hat die Eigenschaft bei warmem Wetter zu kühlen und bei kalten Wetter zu wärmen. Darüberhinaus saugt es sich nicht so schnell mit Schweiß voll wie Baumwolle und trocknet (meiner Meinung nach) viel schneller.
Da das Schnittmuster mehrere Größen gleichzeitig enthält, habe ich es zunächst mit einem Kopierrädchen auf Packpapier übertragen, so kann ich es mehrfach benutzen. Dabei habe ich direkt Länge des Schnittmusters verlängert, das Original hätte knapp mit dem Hosenbund abgeschlossen, das war mir etwas zu kurz.
Nach dem Ausschneiden müssen die Schnittmuster mittels Kreide auf den Stoff übertragen werden. Dabei muss die Webrichtung beachtet werden, denn sonst könnte es passieren, dass der Stoff beim Tragen ausleiert oder seine Eigenschaften einbüßt. Natürlich will man sowenig Verschnitt wie möglich haben, deswegen ist hier ausprobieren gefragt. Ich denke passionierte Tetris-Spieler (kennt das eigentlich noch wer?) dürften hier keine Probleme bekommen.
Mit dem Innenfutter wird ebenso verfahren. Bei dünnen hellen Stoffen sollte man übrigens als ungeduldiger Mensch alles im Umkreis von vier Metern in Sicherheit bringen!
Sind die Stoffstücke alle ausgeschnitten folgt das Zusammennähen. Hierbei ist es natürlich extrem wichtig, die Stoffseiten nicht zu vertauschen. Gerade bei Baumwoll- und Leinenstoffen kann man die “gute” von der “schlechten” Seite kaum auseinanderhalten. Ich habe daher die Stoffstücke mit Kreide beschriftet um hier bloß keine Fehler zu machen.
Die einfachen Längsnähte sind nicht das große Problem. Knifflig wird es bei den Details wie Reißverschlüssen und dergleichen. Da rennt man schonmal ziemlich oft zwischen Nähmaschine, Bügeleisen und Wuthöhle hin und her. Aber nach ein paar Anläufen habe ich die Reißverschlüsse dann auch verpackt bekommen. Der EtaProof hat es übrigens nicht so gerne wenn eine Naht verläuft, die Löcher bekommt man anschließend nicht mehr raus. Zicke!
Vor dem Einsetzen des Innenfutters muss die Rückseite der Känguruhtaschen eingenäht werden. Ich habe dafür einen braunroten Leinenrest genommen, an dieser Stelle empfehle ich aber ausdrücklich ebenfalls Oberstoff zu verwenden (auch wenn es in der Nähanleitung anders steht!). Im Nachhinein hat sich nämlich herausgestellt dass die Seitentaschen gar keine Klappen haben und es dann bei Regen schon mal passieren kann, dass die Brühe in die Tasche läuft.
Wenn die Außenschicht fertig ist, muss das Innenfutter genauso vernäht werden. Deshalb müssen die Stoffstücke exakt übereinander passen. Auch bei der Nahtbreite sollte man hier nicht zuviel experimentieren. Das Schild wurde übrigens mit dem EtaProof geliefert. Ich habe es in den Nackenbereich genäht (wegen der Pflegeanleitung). Ein mitgeliefertes Schildchen für Außen habe ich mir gespart, sonst denkt hinterher noch einer ich hätte die Jacke gekauft
Beim Vernähen des Reißverschlusses mit dem Futterstoff wird man nicht umhin kommen mit der Hand zu nähen. Zum Glück liegen die Nähte innen, da ist es nicht ganz so schlimm wenn es nicht so perfekt gelingt.
Wenn Innen- und Außenfutter miteinander vernäht sind, kommen zum Schluss noch die Klettverschlüsse dran. Hier wird es noch einmal fuckelig!
Nach etwa 17 Arbeitsstunden war meine neue Joppe dann endlich fertig:
Der Schnitt trägt sich mit den verwendeten Stoffen echt angenehm. Man kann die Jacke ziemlich klein zusammenrollen um sie im Rucksack zu verstauen. Der Stoff nimmt es einem nicht übel. Mit 790 g ist die Jacke freilich etwas schwerer als Kunstfaserprodukte, aber darauf kommt es mir nicht an.
Ich hoffe Ihr konntet etwas mit dem “Making-of” anfangen
Beste Grüße
Stefan
edit: Hab noch ein Bild gefunden: