Dank unserem lieben Tracker hatten die Jagdunerfahrenen auf dem Frühjahrstreffen in Wolterdingen die Gelegenheit, beim Zerlegen eines Damhirschkalbs zuzuschauen und mitzumachen. (An dieser Stelle noch einmal vielen Dank für das Tier und Deine Erklärungen :daumen) Da es zu schade wäre, diese ganze Aktion nur im Rahmen des "Rückblicks beim Treffen" zu sehen, dachte ich mir, dass es einen eigenen Faden wert ist.
Wann hat man schon (als Nicht-Jäger) die Möglichkeit, ein Stück Wild zu zerlegen und zu verarbeiten? An die Profis: Verzeiht mir bitte meine laienhafte Sicht der Dinge, ich bin kein Jäger Desweiteren würde ich hier gerne die Fleischverarbeitung "draußen" diskutieren, nicht die Verarbeitung in der Schlachtküche!
Wie Tracker erklärte, sind die Schritte beim Aufbrechen und aus der Decke schlagen bei fast allen Tieren im Prinzip die gleichen, d.h. wer weiß wie man ein Stück Damwild zerlegt, kann das auch in kleinerem Maßstab bei einem Hasen oder Kaninchen anwenden (oder im größeren bei einem Elefanten ^^). Das geschossene/erlegte Tier wird kopfunter an den Sehnen der Hinterläufe aufgehängt. Den Aufbruch konnten wir freilich nicht verfolgen, da das Ausweiden so schnell als möglich nach dem Tod erfolgen sollte. Deswegen kann ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, aber es würde mich natürlich freuen wenn jemand anders den Vorgang hier dokumentieren könnte.
Da unser Hirschkalb bereits ausgeweidet war, zeigte Tracker uns den Aufbruch des Beckenknochens (Schloss)
Zur weiteren Verarbeitung wird dem Tier das Fell abgezogen (es wird aus der Decke geschlagen). Grob gesagt wird das Fell zuerst entlang der Hinterläufe eingeschnitten und von oben her nach unten abgezogen. Das geht in der Regel ganz gut, hier und da muss mit einem Schnitt in Richtung der Decke nachgeholfen werden. Aus Anleitungen kann man das mMn jedoch nicht erlernen An den Läufen werden die Sehnen der Gelenke eingeschnitten und die Gelenke herausgebrochen (klingt fies, aber das gehört halt dazu). Der Kopf wird an der Halswirbelsäule abgetrennt und am Ende hat man die Decke an einem Stück mit Kopf und Füßen.
Nach dem Abbalgen erfolgt die Zerteilung des Wildkörpers, man trennt zunächst die Vorderläufe vom Rumpf, hier fällt mir auch das Erklären freilich sehr schwer, weil man es eigentlich "live" gesehen haben sollte wo man entlang schneidet und wie man die Knochen auslöst... Jedenfalls werden anschließend Rippen und Bauchflanken entfernt und zum Schluss die Hinterläufe von der Wirbelsäule getrennt. Hier sollte man ein paar Hände zur Hilfe haben, damit einem die Fleischstücke nicht herunterfallen. Kleine Tiere würde man ohnehin eher am Stück lassen
Wer nun also nicht auf die Möglichkeiten einer Schlachtküche oder ähnlichem zurückgreifen kann und sein Wild draußen zerteilen muss, kann dies auf der Fleischseite der Decke des Wilds machen. Das Zerschneiden des Fleisches funktioniert nicht so gut wie auf einem Brett, klar, aber es funktioniert ganz passabel. Wer die Decke weiterverwenden möchte, muss dann freilich aufpassen nicht zu tief hineinzuschneiden.
Da Wildfleisch in der Regel sehr trocken weil fettfrei ist (außer Schwarzwild) haben wir uns dazu entschieden das Fleisch im Kessel zu kochen. Man kann natürlich kleinere Portionen draußen selber kochen, wer kein Kochgefäß hat, kann die Innereien und das Fleisch natürlich auch über dem Feuer garen. Wer die Fleischteile am Stück verarbeiten möchte, kann sich das Auslösen bzw. Entbeinen natürlich schenken, wir wollten jedoch nur das Fleisch haben. Messerfetischisten bitte Obacht (!), der Kontakt mit Knochen kann die Klingen ganz schön in Mitleidenschaft ziehen, daher immer schön zum Fleisch schneiden
Das Tier lässt sich fast komplett verwerten, neben den Innereien und dem Fleisch kann man auch zum Beispiel das Knochenmark als Nahrung nutzen, man bricht mit dem Messerrücken oder einem Stein vorsichtig den Knochen auf und zieht das Mark heraus. Es ist sehr fetthaltig und kann auch roh gegessen werden (schmeckt garnicht so übel ^^) (Nicht von mir, aber habe ich gelernt:) Das Mark geht übrigens mit als Letztes in den Fäulnisprozess über, wenn man also in einer Notsituation ein verendetes/getötetes Tier findet, lohnt es nachzuschauen ob das Knochenmark nicht ggfs. noch essbar ist.
Die Knochen selbst kann man zur Not auch noch auskochen und erhält so eine dünne Brühe. Nachdem das Gulasch abends gegessen war, haben wir noch die Fleischreste die nicht in den Kessel gewandert waren gekocht (z.B. Rippen und Bauchlappen). Auch die Zunge haben wir über dem Feuer etwa eine halbe Stunde lang in etwas Brühe gekocht, schmeckte auch sehr lecker
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Die Knochen waren im Übrigen sehr scharfkantig, man kann sie also auch als rudimentäre Schneid- und Schabwerkzeuge verwenden, so wie es unsere Vorfahren schon tausende von Jahren gemacht haben. Die Sehnen kann man z.B. als Nähmaterial oder Bogensehne verwenden, wer da Anleitungen und Erfahrungen hat, kann ja gerne mal etwas dazu hier einstellen, ich habe es leider noch nicht gemacht. Das Fell eignet sich nach dem Entfetten/Entfleischen natürlich hervorragend zum Gerben, jedoch kenne ich das auch nur aus der Theorie. Die Indianer beispielsweise waren in der Lage, die Felle und Häute vor Ort mithilfe von Rauch und Hirn zu Gerben.
Es wäre schön wenn hier noch der eine oder andere Bilder und/oder Beschreibungen zur Tierverwertung einstellen könnte. Das ersetzt das praktische Machen und Nachmachen natürlich nicht.
Ach ja, falls wer es wissen will:
Das Fleisch haben wir in Stücke geschnitten und angebraten, mit Zwiebeln, Paprika, Gewürzen und Rotwein aufgefüllt und ein paar Stunden auf dem Feuer kochen lassen. Das Fleisch war sehr wirklich sehr zart, was man durch braten über offenem Feuer nicht erreicht hätte. Wenn es nur um die Nahrungsaufnahme geht (da man in der Regel ja in einer Notsituation keinen Rotwein dabeihat ^^) kann man das Fleisch auch schier in Wasser kochen, der Genuss ist allerdings nicht der gleiche. Anschließen wurden die Fleischreste und Rippen nochmal mit Rotwein und dem restlichen Gemüse aufgekocht und 3-4 Stunden auf dem Feuer simmern lassen. Das Fleisch fiel allein von den Rippen und es war ein willkommenes Mitternachtsmahl