Das Härten von Messerklingen im Heimwerkerstil

  • An Sylvester habe ich in Mogens Thread "Messerschmieden" angekündigt, dass ich den Härteprozess von Kohlenstoffstahl hier im Forum beschreiben möchte.
    Dann lege ich mal los. Momentan ist eh "Saure Gurken-Zeit", das Wetter ist stürmig und total verregnet, da gehe ich sehr ungern raus, also wird getippt!
    Ich beschreibe hier meine eigene Art- und Weise, wie ich meine selbstgemachten Klingen härte. Es ist eine typische Heimwerker- oder Bastlermethode, wo mit umfunktionierten Materialien und Werkzeugen gearbeitet wird. Durch den Improvisationscharakter kommt dies dem "Bushcraftgedanken" nahe.
    Am wichtigsten aber ist der Erfolg; und den hatte ich bisher mit meiner Härtemethode immer gehabt. Meine Messer sind einwandfrei gehärtet und sehr schnitthaltig. Mehr brauche ich nicht.


    Härteofen


    Der Härteofen ist ein geschenkter Zimmerofen von Buderus mit einem ziemlich großen Holzeinwurf, der bei mir auf der Terrasse unter der Pergola steht. Mit ein paar alten Ofenrohren habe ich einen ausreichenden Kamineffekt. Zur gesteigerten Luftzufuhr nehme ich den Aschenkasten raus und habe mir ein Blech konisch zurechtgebogen, an dessen anderen Ende ein Lüfter montiert ist. Das Blech sitzt dann trichterförmig auf der unteren rechteckigen Öffnung und presst ein bischen mehr Luft rein.
    Befeuert wird mit Holzkohle und etwas Schmiedekohle, die ich auch geschenkt bekommen habe. Die Klingen gebe ich erst in den Ofen, wenn die Glut gleichmäßig durch ist. Den richtigen Abschreckzeitpunkt bestimme ich mit einem starken Industriemagneten, der fest an einem Eisenstab befestigt ist. Hat nämlich die Klinge die Temperatur erreicht, wo die Kohlenstoffatome ihre molekulare Gitteranordnung verändern, verliert der Stahl seine magnetische Eigenschaft. Deswegen tippe ich die Klinge ab einer gewissen leuchtend roten Glühfarbe regelmäßig mit dem Magneten ab und stelle irgendwann fest, dass jeglicher magnetischer Anzug verschwunden ist. Dann ist der Moment gekommen, wo ich die Klinge mit der Schmiedezange rasch herausnehme und in das vorgewärmte Öl (60°C) tauche. Dabei bewege ich die Klinge gleichmäßig im Öl, um keinen Wärmestau zu haben.
    Die richtige Abkühlgeschwindigkeit ist nämlich ganz wichtig, dass die umgewandelte Atomstruktur sozusagen "eingefroren wird". Nach ca. zwei Minuten hat die Klinge die Temperatur des Öls erreicht und ich nehme sie heraus und kühle sie jetzt noch mal in kaltem Wasser runter bis auf Umgebungstemperatur.


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    Nach dem Härten ist der Messerrohling jetzt in der Lage, Glas zu ritzen. Er ist aber auch jetzt noch viel zu unelastisch, was einen schnellen Bruch im Gebrauchseinsatz garantieren würde. (Ich habe da auch schon mein Lehrgeld bezahlen müssen). Deswegen muss ein gewisser Teil der Härte wieder zugunsten einer geringen Elastizität zurückgenommen werden. Dies geschieht durch das sog. Anlassen. Ich habe da absolut positive Erfahrung mit folgender einfacher Methode gemacht: Zunderschicht an einer Klingenflanke mit grobem Schmirgelpapier grob runter machen, Messer in den vorgewärmten Backofen bei 200°C eine Stunde reingeben. Dann ausschalten, Backofentür auf; fertig! Bitte unbedingt ein Backofenthermometer mit neben die Klinge legen und darüber die Temperatur nachregeln, denn es sollten die 200°C nicht wesentlich überschritten werde.( Über 220 °C werde ich bereits nervös) Die blankgeschmirgelte Flanke ist für mich eine Kontrolle der Anlassfarbe. Sie sollte im strohgelben Bereich liegen und nicht ins Violette gleiten.



    Meine Erfahrung ist, dass diese Methode bei meinem gefundenen Federstahl und CK75 Kohlenstoffstahl, den ich auch verwende, eine super tolle Klinge abgibt. Ich habe bei einigen Klingen die Gelegenheit gehabt, die Rockwellhärte zu messen und es waren zwischen 57 und 59 HRC. In der Praxis bin ich auch immer mit der Schnitthaltigkeit meiner Messer sehr zufrieden. Nur einmal hat das Härten nicht funktioniert: ich habe aus einem alten Kreissägeblatt einer Betonsäge ein Messer gemacht und es auf die beschriebene Weise behandelt. Diese Klinge blieb weich und dient mir heute als Kontrastmuster.(Der Stahl des Sägeblattes, der mir unbekannt war, hätte eine andere Wärmebehandlung benötigt.) Aus diesem Grunde bleibe ich bei meinen bekannten Kohlenstoffstählen und bin glücklich mit den Ergebnissen.


    Ich hoffe, mit diesem Beitrag ein paar sinnvolle Anregungen zum Selbermachen von Messern gegeben zu haben.


    Parzival

  • Hey Parzival! Sehr :gb Auch wenn er schon was älter ist.
    Ich will hier auch nicht den Oberklugscheisser machen, aber mir ist da ein kleiner Makel aufgefallen.


    Und zwar schreibst du beim abschrecken zum härten :"Nach ca. zwei Minuten hat die Klinge die Temperatur des Öls erreicht und ich nehme sie heraus und kühle sie jetzt noch mal in kaltem Wasser runter bis auf Umgebungstemperatur."
    Das ist äußerst riskant! Nach dem abschrecken sollte das Werkstück so schnell wie möglich, am besten noch warm, in den schon vorgeheizten Backofen zum anlassen. Wenn das gerade nicht geht dann nur an der Luft abkühlen lassen, und nicht mit kaltem Wasser. Bei Stählen unter 0,8% Kohlenstoffgehalt geht das wohl noch gut , aber wenn du mal mit härteren Stählen arbeiten solltest wie z.B. Kugellager, Feile, oder dem beliebten O1 Stahl, entstehen durch zu schnelles abkühlen nach dem härten sehr leicht Spannungsrisse!



    Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel, aber das musste ich an dieser Stelle gerade loswerden. Ein schon fast fertiges Messer nach all der Arbeit noch beim abschrecken zu schrotten ist eine echt üble Sache. Ich hab das Lehrgeld bezahlt, und würde es anderen gerne ersparen.



  • Da muß nun ich dir etwas wiedersprechen, zumindest wenn es sich um Kohelstoffstähle handelt.
    Im aktuellen MesserMagazin ist ein Artikel über selektieves Härten, der unter Beratung von Tobias Haselmayr entstand (welcher die Härtung für den Artikel selbst durchführte)


    Laut dem Artikel verbleibt dabei die Klinge dabei im (nicht zu kalten Wasser), bis die Klinge nur noch so warm ist bis man Sie mit den Finger anfaßen kann.auf den Bildern zum Artikel ist zu sehn wie danach Haselmayr die Klinge an einem Glas testet. Erst danach gibt er Sie bei 200° in den Ofen zum anlaßen.
    Ich sehe keinen Grund warum das nicht auch beim "normalen" Härten so sein sollte und warum die Klinge " sofort" in den Ofen soll.


    Nix für ungut, aber Haselmayr´s Vorgang leuchtet mir da mehr ein.

  • Ich sehe das ganz genau so wie Odin. Parzival schrieb ja, daß sein Öl gerade 'mal etwa 60°C hat - also eher "gut warm", knapp zu heiß für die Finger - aber mehr auch nicht. Das tut -wie seine mehrfache Erfahrung positiv zeigt- den von ihm verwendeten Stählen nichts (mehr).


    Bei kritischeren (Stahl-)Sorten magst Du Recht haben...aber ob die sich dann für das oben beschriebene "bushcraft-mäßige" Härten überhaupt gut eignen?


    Schnitthaltige Grüße,
    Gereon
    :schnitz


    Nachtrag: Habe so ähnlich (wie Parzival) früher auch einie sehr wenige Male gehärtet, mehr so zum Üben - ging gut. Bei mir scheitert es eher an der handwerklich akzeptablen Umsetzung eine gescheite Klinge und den dazu gehörenden Griff hinzubekommen... :schäm

  • @ Odin,
    Um da genaueres zu sagen müsste man wissen welchen Stahl der der Herr Haselmayr da verwendet hat. Wenn es sich um einen reinen Wasserhärter handelt kann oder muss man wohl mit Wasser härten, aber bei so kleinen Querschnitten wie bei Messerklingen ist das trotzdem unüblich. Wenn man schon in Wasser härtet, dann verwendet man kochendes Salzwasser, damit sich die Dampfblasenbildung an der Klinge in Grenzen hält. Ansonsten würde die Klinge sehr ungleichmäßig härten.
    Ich will ja nicht behaupten dass man die Klinge nicht auf Raumtemperatur abkühlen kann bevor man sie anlässt, aber gerade bei übereutektoidem Stahl ( Mehr als 0,8% Kohlenstoff) ist dass eine echt riskante Angelegenheit. Ich verwende schonmal gerne alte Feilen vom Flohmarkt die haben je nach Größe 1,25 - 1,45 % C also schon sehr viel für eine Messerklinge. Das ist auch ein einfacher C Stahl und Ja - auch den kann man ganz einfach im Kohlenfeuer härten, aber es sollte wohl klar sein dass , diese Klingen nach dem abschrecken unter enormer Spannung stehen. Da erreich man schnell mal eine härte von 65 -66 Rockwell. Wenn man so ein Messerchen, nach dem abschrecken auf den Beton fallen lässt oder es eben in kaltes Wasser stopft zerspringt die Klinge wie eine Glasscherbe oder bekommt zumindest Risse. Zudem ist das abkühlen auf Raumtemperatur vor dem anlassen schlecht für die Carbidbildung aber dass sind schon Haarspaltereien die ich lieber den Vollprofis überlasse.
    Und ja klar ! Wenn ich jetzt zum Beispiel einen ganz simplen C45 nehme- ( ca. 45- 50% Kohlenstoff und vielleicht noch ein bisschen Chrom und Mangan für die Durchhärtbarkeit bei großen Werkstücken), dann kann ich schon nicht mehr so viel falsch machen. Da kann ich sogar draufpinkeln um ihn zu härten, und selbst wenn ich den überhaupt nicht anlasse wird der wohl nicht brechen. Dafür ist ein Messer aus dem Zeug halt auch nicht der große Bringer. Aber um einfach mal zu üben oder zu experimentieren gerade gut genug.
    Aber worauf ich hinaus will ist doch einfach - Wärmebehandlung von Werkzeugstahl ist eine sehr komplexe Angelegenheit, und wenn ich mir schon die Arbeit mache selber ein Messer zu bauen, dann fange ich doch nicht an zum guten Schluss noch beim wichtigsten zu Pfuschen.

  • Um deine Frage nach dem von Ihm verwendeten Stahl halbwegs zu beantworten hier ein Auszug von seiner HP http://www.haselmayr.de


    Ich benutze zumeist folgende Stähle:


    Leo 1 Kampfpanzer Geschützrohr, Maschinenkanonenrohr 20 mm, Pflugschare,
    Ankerketten, Sensen, Kreissäge- und Gattersägeblätter, alte Federstähle,
    Feilen, Silberstahl, Kugellagerschalen, von Kunden selbst mitgebrachte
    Stähle an denen Erinnerungen hängen, Puddlstahl, altes Eisen aus
    Bodenfunden oder von Abrissen alter Gebäude, Eisenbahnschienen, Tornado HubschrauberFangseile
    neben den Standardstählen, die für Messer häufig benutzt werden.


    Auch kann man ihn durchaus als einen von dir sogenannten "Vollprofi" bezeichnen

    - Mitglied der DMG (Deutschemessermachergilde)

    -Mitglied beim internationalen Fachverband gestalltender Schmiede e.V.

    Man sollte von früheren Generationen lernen, sich aber Neuerungen nicht verschließen.

    Einmal editiert, zuletzt von Odin ()

  • Bei Stählen mit sehr hohem Kohlenstoffanteil (die typische Feile eben) gehe ich auch zügig nach dem Abschrecken in den vorgeheizten Ofen, teste davor nur kurz die Härte mit Feile und Glas und schleife die Zunderschicht auf einer Seite ab, damit man Anlassfarben sehen kann. Ins Wasser würde ich da nicht gehen, wie Skuzzlebud finde ich das riskant und einfach nicht notwendig.


    Federstähle sind da viel gutmütiger. Die kann man nach dem Abschrecken in Öl getrost mit Wasser runterkühlen, gemütlich den Zunder abschleifen und dann anlassen. Die gehn auch nicht kaputt, wenn man die Klinge etwas unvorsichtiger behandelt. Was Parzival da macht ist vollkommen in Ordnung.


    Ich lasse übrigens etwas niedriger an, um 180°C, reicht meiner Erfahrung nach vollkommen. Manchmal ziehe ich die Härte des Rückens noch selektiv mit dem Brenner runter, ist bei den meisten Messern aber nicht nötig.

  • Damit es keinen extrathread braucht, (und weil sich hier die experten tummeln ;) ) schreibe ich meine Frage hier:


    Wie kriege ich Stahl weich?


    Ich habe zu Hause ein paar nette Meter altes Bandsägeblatt rumliegen. Daraus habe ich schon ein Zweifingermesser und ein Löffeleisen gemacht. Die zurechtgeflexten Stücke habe ich mit der Lötlampe bearbeitet. ein Bisschen was hats gebracht, ich konnte die Härte auf feilbar runterbringen. (ich hab die stücke Kirschrot geglüht und dann langsam (?) abkühlen lassen. auch angelassen auf dunkelblau und dann langsam (?) abgekühlt.. hab ein wenig experimentiert) allerdings war der Stahl danach noch immer federhart, was ich auch probiert habe.
    ich konnte ihn Feilen, aber nicht wirklich Bohren. (keine schlechten Bohrer.. nachher schon)


    hat mir jemand Heimwerker-tips? muss ich die Temperaturen länger halten? welche? Wie schnell darf das auskühlen denn sein? Da das Material sehr dünn ist, war die luftkühlung vielleicht ein bisschen zu schnell?


    -ich kann leider nicht genau sagen, was für ein Stahl das ist. das Sägeblatt war für Metalle.. möglicherweise ist der Stahl auch zu gut für solch dilettantischen Methoden..

  • Damit es keinen extrathread braucht, (und weil sich hier die experten tummeln ;) ) schreibe ich meine Frage hier:


    Wie kriege ich Stahl weich?


    Warum liest du nicht den ersten Beitrag von Parzival? ich finde der erklärt doch alles... War schliesslich auch das Thema :confused :confused

  • @ Lortnoc


    Weichglühen ist eigentlich ganz leicht zu machen. Du nimmst einfach einen für dein Werkstück ausreichend großen Haufen Glut, das kann die Restkohle im Grill oder von einem Lagerfeuer sein, darin erhitzest du deinen Stahl auf ca. 800 Grad C, also bis er etwa Kirschrot ist. Am besten geht das mit einem Blasebalg oder ähnlichem. Wenn dies geschehen ist ,lässt du den Stahl so langsam wie möglich abkühlen,also am besten den Stahl einfach bis zum nächsten Tag in der Glut liegen lassen. Je langsamer und gleichmäßiger der Stahl abkühlt desto weicher wird er in der Regel.

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