Moin miteinander;
Die Sommerpause ist nun rum und ich komme nach längerer Abstinenz noch mal zum schreiben. Ich hatte dieses Jahr noch viel Resturlaub, weswegen ich glücklicher Weise die gesamten Herbstferien frei nehmen konnte. Mein großer Sohn ist voll heiß auf Berge und weil das letztes Jahr mit den rund 60km zum Kahlen Asten ganz gut geklappt hat, haben wir die Gelegenheit genutzt und uns nach einer logischen Steigerung der Berghöhe und Tourdauer umgesehen. Für wirklich Hochalpines Gelände ist der "Große" mit seinen sieben Jahren noch in bisschen klein und so sind wir auf den Hexenstieg gekommen welcher als höchsten Punkt, den Brocken mit immerhin 1141m vorzuweisen hat. Die ca.94km haben wir uns auf fünf Tage eingeteilt.
Mit "nur" drei stunden Verspätung kommen wir bei bestem Wetter in Osterode an. Die Beschilderung vom Bahnhof zum Startpunkt ist zum Glück idiotensicher, weil ich in solch urbanem Umfeld immer etwas orientierungslos bin.
Die ersten paar Meter gehen recht stetig bergauf und wir müssen etwas Tempo machen, weil wir nun schon ein wenig spät dran sind. Nach der katastrophalen Anreise mit der Bahn können wir, auf diese Art gut Stress abbauen und erreichen die erste "Landmarke" den Eselsplatz recht zügig. Ab hier steigt das Höhenprofil nur noch moderat und die für den Hexenstieg typische Schotterpiste beginnt.
Blick zurück auf Osterode.
Der Borkenkäfer hat im Harz "alles gleich gemacht" und so führt der Weg durch eine Landschaft die weitestgehend von Brombeersträuchern und Weidenröschen geprägt ist. Man hat eine gute Aussicht, wobei mir der Wald in seiner ursprünglichen Form lieber gewesen wäre, als diese etwas aride Berglandschaft.
Wir zockeln noch ein paar km Schotterweg ab, bis wir die Seenlandschaft in der Nähe von Clausthal erreichen und eine kurze Pause einlegen. Hier gibt es eine Reihe künstlicher Seen welche für den Bergbau zur Entwässerung und als Wasserkraftspeicher angelegt worden sind. Man dürfte sogar baden aber dafür ist es dann doch etwas frisch und wir müssen noch ein paar km schaffen bevor die Sonne untergeht.
Dieses etwas komplizierte Kanalsystem nennt sich Huttaler Wiederwaage und diente auch zur Entwässerung von Bergbaugruben. Hier konnte Wasser von der einen zur anderen Bergseite abgeleitet werden.
Es beginnt bereits zu dämmern und wir haben unsere knapp 15km für heute geschafft, womit wir zumindest wieder im Zeitplan sind. Also mache ich erstmal Essen und Tee und wir warten bis alle anderen Wanderer und Mountainbiker verschwunden sind, um dann unser "über alle Maßen" gut getarntes Zelt aufzuschlagen.
Wir schlafen ganz gut und Tag 2 beginnt schon mit dem Morgengrauen. Heute kommt die schwerste Etappe in der wir bis kurz vor den Brocken kommen wollen, aber die Moral ist immer noch hoch, und so sind wir nach einem kurzen Frühstück sehr zeitig wieder auf den Beinen.
Ab hier folgt der Weg fast den ganzen Tag den Wasserkanälen. Ich bin mir über die Wasserqualität dieser Kanäle nicht ganz schlüssig. Es fließt zwar, allerdings teilweise nur sehr langsam und es gibt viele Algen und einen deutlichen Biofilm am Grund, weswegen ich die Brühe lieber durch den Wasserfilter jage. Man will das Ding ja nicht umsonst rumschleppen. Und Durchfall auf Tour mit Kind will ich nun wirklich nicht riskieren.
Wir erreichen die "Eisenquelle" und machen eine längere Pause. Das Wasser der Eisenquelle ist wie der Name erahnen lässt, etwas Eisenhaltig, weswegen wir auch hier von einem Verzehr absehen . Hier gibt es auch eine der schönsten Schutzhütten welche auch ein guter Übernachtungsplatz gewesen wäre, wenn wir früher angekommen wären.
Mit sanfter Steigung erklimmen wir viele Höhenmeter immer entlang der Wassergräben. Auf gewisse weise erinnert mich das an Madeira wo ich vor vielen Jahren mal Wanderurlaub gemacht habe. Da läuft man auch ganz viel an den Wasserkanälen die Bergflanken entlang. Nur die Vegetation war dort geringfügig üppiger.
Und nochmal ein paar Wasserkanäle. Hier nerven auch langsam die ständig mehr werdenden E Biker. Aber die meisten sind nett und bedanken sich freundlich wenn wir uns wieder schnell an die schmalen Wegseiten zwängen. Generell wird es langsam immer voller. Man merkt, der Brocken welcher hier der größte Touristenmagnet ist, rückt in greifbare Nähe.
Wenn man den Wasserkanälen dann bis auf ihr höchstes Niveau gefolgt ist, knickt der Weg plötzlich ab und es beginnt eine der ganz wenigen etwas anspruchsvollen Passagen am Hexenstieg. Hier geht es wirklich steil runter und der Pfad liegt voller losem Geröll. Ich mache eine kurze Ansage, dass man hier aufpassen muss und ,dass hier kein quatsch gemacht wird und gehe langsam voraus. Der Große ist erst etwas verunsichert, findet das ganze nach den endlosen, relativ ereignislosen Kilometern entlang der Kanäle aber auch irgendwie cool und hat im Endeffekt auch weniger Probleme als ich mit meinem schweren Rucksack.
Allmählich prägen auch immer mehr Felswände die Landschaft und man fühlt sich endlich wie in einem richtigen Gebirge. Das Standard Mittelgebirge kennen wir von zu Hause im Rothaargebirge auch, aber ich muss neidlos anerkennen, dass das hier schon ein wenig krasser ist.
Nach dem steilen Abstieg muss man auch wieder steil hoch. Hier kommt die "Schlüsselstelle" die wir uns schon vorher auf der Karte angeguckt haben. Das ist einer der einzigen wirklich steilen Anstiege am ganzen Hexenstieg. Man macht am Hexenstieg zwar schon ein paar Höhenmeter, allerdings ist die Wegführung immer so gewählt, dass man möglichst sanft aufsteigt. Ich denke das ist den vielen Mountainbike Touristen geschuldet. Wie dem auch sei; Der Große ist hart drauf und wir nehmen diese eine schwere Steigung im Laufschritt.
Kaum oben fängt es so richtig heftig an zu Regnen. In der Ortschaft Torfhaus machen wir eine richtig gefährliche Straßenüberquerung (Fußgängerampeln oder Zebrastreifen gibt es im Harz irgendwie so gar nicht ) und bewegen uns dann entgegengesetzt zu allen anderen Wanderern in Richtung Brocken. Die Schuhe sind nach ca. 10min durch die Jacke vom Großen ist mit dieser Art von Regen leider auch überfordert. Bei mir hält die Jacke, dafür wird mein Schlüpfer nochmal gründlich gewaschen. Und wo ich das Bild so sehe; Ganz große Kritik an die Firma Deuter - Wieso ist bei euren Kinderrucksäcken kein Raincover dabei. Sowas ist doch heute wirklich überall mit drin!!
Es ist nicht wirklich kalt aber zusammen mit dem heftigen Wind und der Nässe fängt der Große an zu frieren. Besonders die Finger sind eiskalt was die Moral in den Keller sinken lässt.
Die Schutzhütte in der wir eigentlich nächtigen wollten finden wir nicht, und so schleppen wir uns noch etwas weiter, bis zur ehemaligen deutsch- deutschen Grenze. Die Schutzhütte hier ist leider völlig im A. Weiterlaufen macht unter diesen Umständen keinen Sinn und wir sind sowieso schon weiter als ich wollte, also parke ich den Großen in der Siffhütte, ziehe ihm alles über was ich noch an trockenen Sachen habe und mache mich auf die Suche nach einer halbwegs Windgeschützten Stelle fürs Zelt. Als wenn`s nicht gerade toll genug wäre, hat der Opa die Mama angerufen und irgendwas von Sturmböhen am Brocken erzählt, weswegen die Mama nun mich anruft und auch recht verängstigt ist.
Mit dem Kind - gefährlich - unverantwortlich - usw. Das ganze hilft mir allerdings auch nicht wirklich beim Zelt aufbauen in Wind und Regen.
Dank meiner überragenden Survival skills und meinem besonnenem Handeln in Extremsituationen, schaffe ich es meine Frau zu beruhigen, einen geschützten Platz für´s Zelt zu finden, dieses aufzubauen ohne, dass all zuviel Wasser ins innere gelangt, und das Kind in trockene Kleidung zu packen. Als der Große endlich im warmen Schlafsack steckt, bekommt er noch eine Tafel Schokolade und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Was für ein Stress!
Ich habe leider Kochdienst und muss noch draußen im Regen bleiben bis das Essen fertig ist. Die Zwischenzeit nutze ich um das kleine Zelt mit allen Spannleinen und Heringen zu sichern die ich habe.
Hier mache ich mal eine kleine Pause, - Wie es weitergeht und ob wir die Nacht überlebt haben erfahrt ihr wenn´s klappt in kürze.