Wo soll ich nur anfangen? Vielleicht wie ich überhaupt dazu kam, auf dem Yukon zu paddeln.
Letztes Jahrtausend - Mein Reisepartner war ein leidenschaftlicher Counter Strike Zocker und hatte als Nickname Yukon. Einfach so, weil er das mal irgendwo gehört hat und er fand, dass das schön klang.
Ich kannte zu der Zeit den Yukon auch noch nicht, sagen wir mal so: Klondike kam mir bekannter vor, obwohl das im Vergleich zum Yukon nur ein winziges Flüsschen ist. Also fragte ich eines Tages, wie er denn darauf käme und was genau das eigentlich sei.
So wurde also recherchiert und Kartenmaterial gesichtet und für meinen Reisepartner, nennen wir ihn einfach mal Björn, stand fest: da fahren wir als nächstes hin! Ohhh, aha, Wald – sehr viel Wald, eigentlich ausschließlich Wald… Was macht man da denn so, wenn man da hinfährt? Tante Google wusste Bescheid. Man kann da Kanufahren oder auch Gold waschen oder Kanufahren und Gold waschen. Wir haben uns dann fürs Kanufahren entschlossen, obwohl wir beide damals so gut wie noch nie in einem Kanu gesessen hatten.
Unweigerlich entdeckten wir dann die bekannteste Strecke: Whitehorse – Dawson, 750 Kilometer! Auf einem Fluss der 10-12, an manchen Stellen auch 18 km/h schnell fließt (das ist wahnsinnig schnell!), der angenehme 4° kalt ist und durch ein Gebiet fließt, dass auf kanadischer Seite anderthalb mal so groß wie Deutschland ist, aber nur ca. 33.000 Menschen eine Heimat bietet. Dafür aber soll es da massig Bären geben und Wölfe, Adler, Bieber, Elche und Lachse und Karibus und vieles Getier mehr, vor allem aber Mücken!
Egal, das wird unser Ding, das machen wir!
Gesagt, gebucht!
So und nun komme ich an eine Stelle, wo ich mich entschließe den linearen Verlauf des Reiseberichts zu verlassen. Die ganze Tour chronologisch zu beschreiben macht verrückter Weise bei dieser Flußtour, die ja sehr linear verlief, keinen Sinn und wäre langweilig. Denn mal haben wir auf der einen Insel übernachtet, mal auf der anderen, dann floss der Fluss mal nach rechts und dann mal nach links. Sehenswürdigkeiten gab es ja in dem Sinne auch keine speziellen, denn der ganze Fluss und seine Landschaft IST die Sehenswürdigkeit und zwar an jeder Stelle!
Reisezeit
Da man sich unweigerlich in den Yukon verliebt und uns das auch passiert ist, wurden wir zu Wiederholungstätern. So kam es, dass ich den Yukon zu verschiedenen Jahreszeiten kennen gelernt habe. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man Anfang Juli hinfährt oder Ende August bis Mitte September. Beides hat was für sich, aber auch beides hat seine Schattenseiten. Man kann sich also zwischen Pest und Cholera entscheiden.
Früh: Anfang/Mitte Juli
+ Die Tage sind lang. Es wird eigentlich erst nach Mitternacht richtig dunkel. Man hat also viel vom Tag.
+ Es ist warm. Man kann des Öfteren im T-Shirt paddeln und abends gemütlich mit einer Jacke am Lagerfeuer sitzen.
- Mücken
- Mücken
- Mücken, also die Mücken sind grauenvoll! Die Biester kamen bevorzugt so um sieben Uhr abends aus ihren Verstecken, genau zu der Tageszeit, wo man sich nach einem Paddeltag zum Kochen hinsetzt und vom Entspannen ausspannt! Es sind nicht hunderte, nicht tausende, nicht Millionen, nein – es sind viel, viel mehr!!! Und sie haben den Tag über Kraft gesammelt jedes Wesen, besonders Paddler, bis auf die Knochen auszusaugen. Ohne Mückennetz am Hut ging da gar nichts. So zwanzig hat man eigentlich jederzeit am Körper sitzen und jede zweite Sticht, wo sie nur kann! Sie verschwinden dann wieder so um elf Uhr. Wenn ich schreibe, dass sie um sieben auftauchen und um elf wieder verschwinden, dann heißt das NICHT, dass man in der Zwischenzeit von den Mücken in Ruhe gelassen würde. Es sind dann zwar nicht Milliarden, aber einige Tausend. Zumindest fühlt es sich so an! 50 Mückenstiche pro Arm war Durchschnitt!
Spät: Ende August bis Mitte September
+ Es gibt keine Mücken! Bei dem ersten Nachfrost setzt das große Mückensterben ein.
+ Indian Summer. Die Blätter färben sich, wie für Kanada halt üblich, in den sattesten Farben von Gelb, Orange bis zu Rot. Das ist wahnsinnig schön, nur stehen direkt am Yukon hauptsächlich Koniferen, die sich nicht verfärben. Aber auf der Busfahrt zurück nach Whitehorse sieht man dann diese grandiose Vegetation.
+ Nordlichter!!! In dieser Jahreszeit kann man schon die ersten Nordlichter beobachten. Diese kommen leider nicht auf Bestellung, man muss schon Glück haben, welche beobachten zu können. Ich habe ein grandioses Nordlichtspektakel sehen dürfen und nichts was ich sonst in meinem Leben sah, kommt dem annähernd gleich. Bilder oder Videos bei z.B. YouTube über Nordlichter zeigen ja nur so einen kleinen Ausschnitt. Natürlich sind aber diese Lichtschwaden über den gesamten Himmel verteilt, im 360° Panorama sozusagen und das ist unbeschreiblich beeindruckend, wenn die Lichter auf einen zu wabern. Man nimmt für dieses Erlebnis sogar eine lange andauernde Genickstarre in Kauf.
- Die Kälte. Zu dieser Jahreszeit ist es in den Nächten frostig. Wir hatten in den Nächten so ca. -2° bis -9° Grad. Die Tage wurden bis zu 15 Grad warm, pendelten aber so hauptsächlich bei 10° - 12° Grad. Das bewirkt zwar, dass die Blätter schön aussehen und die Mücken tot sind, ist aber auf Dauer anstrengend.
Für mich persönlich stellt sich nicht mehr die Frage, ich bevorzuge die späte Reisezeit. Dann friert man halt mal paar Wochen, aber es lohnt sich!
Also falls Ihr gerne auch lieber später fahren würdet, könnt Ihr alles, was noch über Mücken gesagt wird, getrost vergessen.
Ausrüstung
Ich schreib hier nicht, was wir ALLES dabei hatten, nur paar Dinge, die mir gerade einfallen, die irgendwie praktisch oder absonderlich waren.
Deep Woods: Ein Mückenspray aus annähernd 100% DEET. Anfangs steht man dem Mittelchen noch sehr skeptisch gegenüber. DEET – das soll ja nicht so gesund sein, hört man. Nach einem Abend mit Mücken benutzt man das dann doch. Zumindest auf der Kleidung, später bei wachsender Verzweiflung, ist man bereit, sich das Zeug fast überall hinzuschmieren. Nebenwirkungen und Spätfolgen unbekannt. Vorsicht, das Zeug ätzt Löcher in die Klarsichtschutzhülle der Karte! Es ist absolut keine klare Empfehlung, das Zeug zu kaufen. Das muss jeder selbst wissen.
Schlafsack: sollte schon bis tiefe Minusgrade gehen, wenn man spät fährt.
Kindercampingstühle: da man beim Kanuwandern ja nichts schleppen muss, war das Gewicht und Volumen unseres Gepäcks relativ egal. Bei unserem zweiten Boot, auf das ich später noch zurückkommen werde, lösten diese Kindercampingstühle erst mal nur Hohn und Spott aus. Drei Mal dürft Ihr raten, wer irgendwann auf Knien gebettelt hat, sich auch mal hinsetzen zu dürfen!
Diese Stühle sind zusammengefaltet so groß wie eine Isomatte und wiegen nicht viel, haben aber eine Rückenlehne, an der man dann die Wirbelsäule entspannen kann. Für richtig große Leute sind diese aber dann doch zu klein. Das war unser einziger Luxusartikel, will ihn aber definitiv bei so einer Tour nicht mehr missen. Oft hatten wir Zeltplätze, wo es außer einem ebenen Stück für das Zelt und einer Feuerstelle gar nichts gab. Wenn es dann einen regenreichen Tag gab und der Waldboden so richtig nass war, sich kein Baumstamm fand und wenn ja, nur einen nassen, vermoosten, dann stand man sich die Beine in den Bauch. Naja, war uns ja egal, wir saßen ja gemütlich.
Zudem hatten die Stühle im Boot die Funktion in ihren wasserdichten Beuteln ganz unten zu liegen und so die darauf liegenden Gepäckstücke vor Nässe von unten zu schützen.
Ourdoorseife, gibt’s z.B. bei Globetrotter. Ich gehe aber mal davon aus, dass ihr sie kennt. Toll finde ich halt daran, dass man ein kleines Fläschchen für alles dabei hat: Fürs Wäsche waschen, Körper waschen, Geschirr waschen.
Diese ist biologisch abbaubar, allerdings nur an Land und nicht im Fluss. Da geht man schnell mal eine Gewissensfrage ein, speziell beim Abwasch. Soll ich mit Seifenstoffen den Yukon zumüllen oder schütte ich die Seifen-Lebensmittelreste ans Ufer, durch deren Geruch Bären angelockt werden können? Ist dann blöd für alle nachfolgenden Kanuten...
Ballistol Universalöl: Auch hier gehe ich davon aus, dass es die meisten kennen. Trotzdem: unsere Messer, speziell mein Wave, waren dankbar über die Pflege, auch unsere Lederschuhe, die rissigen Hände... Auch hilft es gegen den Juckreiz bei Mückenstichen und das Allerbeste ist, es ist antiseptisch. D.h. man behandelt damit Wunden, auch bei Ohrenschmerzen als Ohröl hilft es verdammt gut. Es ist vollkommen ungiftig und verharzt nicht, hat zudem eine extrem hohe Kriechfähigkeit.
Apropos rissige Hände: Durch den ständigen Kontakt mit dem Wasser, die unterschiedlichen Temperaturen und der recht trockenen Luft, reißen die Hände, speziell in den Fingerbeugungen, auf. Nicht nur meine Damenhände, auch die Herrenpranken waren schlussendlich wund. Geholfen hat da Neutrogena mit der norwegischen Formel. Da man den ganzen Tag über auch noch Druck auf die Wunden ausübt, indem man das Paddel hält, dann abends Steine für den Ofen schichtet, Holz macht usw. entsteht dabei ein fast schon ernstes Problem. Am Besten mit der Handpflege schon vor den ersten Wunden beginnen. Und das meine ich ernst! Es geht nicht um die sanften Händchen, auch bei einem Outdoorabenteuer, sondern um die Pflege Eurer wichtigsten Werkzeuge! Und das sage ich jetzt nicht als Frau, auch die Jungs würden dieselbe Empfehlung aussprechen.
Goretex-Socken sind erstens verdammt teuer, aber mit nichts aufzuwiegen. Das war zumindest meine eigene Erfahrung. Auch wenn die Stiefel komplett mit Wasser durchtränkt sind (und das sind sie, bei anhaltendem Regen, wenn nichts, aber auch gar nichts trocknet), bleiben die Füße trotzdem trocken und das wirkt sich unglaublich auf die Fußwärme aus. Das ist kein wirklicher Bushcraft-Artikel, dennoch find ich sie klasse.
Gaffa-Tape: Repariert so ziemlich alles: Isomatten, Zelte, Tarps, Boote, befestigt Dinge da, wo sie sonst nicht bleiben würden, kann etwas damit Umklebtes wasserdicht machen...
Lebensmittel: Beim Kanuverleiher hatten wir vor dem Einkauf gesehen, welche Tonnen er uns mitgeben kann. Daraufhin konnte wir dann die Menge, bzw. das höchstmögliche Volumen unsere Lebensmittel einschätzen. Für uns war klar, es wird jeden Abend richtig und anständig gekocht! Also konnten wir viel Gemüse einkaufen, aber auch Mehl, Hefe und Zucker, Milchpulver, Haferflocken, Nudeln usw usf. Volleipulver hatten wir von zu hause mitgebracht, da wir nicht unbedingt rohe Eier transportieren wollten. Das klappt sogar ganz gut mit dem Pulver! Es sollten wenig verpackte Lebensmittel sein, wegen dem Müll. Frischfleisch ist problematisch, da es zum Einen schneller verdirbt und zum Anderen unwiderstehlich auf Bären wirkt. So sagte man uns. Zwar ernähren sie sich zu 80% von Pflanzen, aber angelockt werden sie wohl davon schon... Speck war lange haltbar und luftdicht verpackt. Da hat man dann leider wieder Plastikmüll. Somit haben wir uns das meiste tierische Futter geangelt, was gar nicht so einfach war. Da schwammen die Lachse an uns vorbei und keiner wollte beißen. Nun gut, ich weiß schon, dass wir für diese Art Fische nicht die richtige Ausrüstung dabei hatten. Aber Forellen waren uns gnädig. Auch wegen der später selbst geflochtenen Reuse.
Produkte wie Käse sind in Whitehorse fast unbezahlbar, daher haben wir darauf verzichtet. Aber ansonsten habe ich eigentlich wie zu Hause gekocht. Alles über Feuer, Kocher hatten wir gar nicht dabei. Der Grillrost sollte aber schon recht massiv sein, sonst brutzelt der durch. Also vorher noch mal bei der Einkaufsorgie beim Canadian Tyre vorbeischauen, der hat Grillroste in jeglicher Ausführung. Generell ist dieser Laden (riesengroß, nicht zu verfehlen!) ein wahres Männerparadies: Baumarkt, gepaart mit einem großen Outdoor- und Campingbereich, Grills in allen wohl weltweit erhaltbaren Varianten, Angelkram und Waffen.
Generell wurde auf dem Yukon höchst unterschiedlich gespeist. Die einen fraßen jeden Tag Tütenkrams und andere grillten jeden Abend selbstgeschossenes Getier. Wir waren da auf der Genußskala von 1-10 zumindest mal auf einer 8!
Pro Boot braucht man eine Flußkarte!
Angelausrüstung und Axt haben wir vor Ort geliehen.
Leben auf dem Fluss
Der Fluss hat so um die 4° Grad Wassertemperatur. Man will auf keinen Fall kentern! Falls man das doch tut, dann hat man so Pi mal Daumen zwei Minuten Zeit, um sich vor dem Erfrieren an Land zu retten. Falls man nicht vorher schon nen Kälteschock erlitten hat. Das mit dem Retten ist allerdings so eine Sache. Wenn man am Ufer steht und sieht, wie schnell Treibholz an einem vorbei rast, dann wird einem klar, dass man ein Weltklasseschwimmer sein muss, um sich an Land zu retten, also besser nahe am Ufer fahren. Macht man aber nicht immer, man fühlt sich nach paar Tagen so eigenartig sicher beim Paddeln…
Körperhygiene bei 4° macht auch nicht wirklich Spaß. Ist aber schon mal angebracht, so zwischendurch. Das will allerdings gut vorbereitet sein.
Feuer machen und Tee kochen. In den Fluss rennen, nass machen. Ans Feuer rennen und einseifen. In den Fluss rennen und abwaschen. Raus rennen, abtrocknen, einmummeln und Tee trinken. Das ist so unsere Methode, die am schmerzfreiesten ist.
Das kalte Wasser des Yukons hat aber nicht nur negative Seiten. Man kann da wunderbar die Schwellung der Mückenstiche kühlen. Wohldosiert kann man auch den Arm betäuben, dann juckts auch nicht mehr so.
Um noch mal auf die Mücken zurück zu kommen: Es kommt dann und wann vor, dass man auch mal austreten muss. Was da draußen generell so eine Sache ist (Zum Beispiel auf einer kleinen, flachen Insel ohne nennenswerte Bäume, ergo kein Sichtschutz – aber wat mut dat mut!). Wenn man also mal „muss“, ist das eine akrobatische Leistung, dabei nicht gestochen zu werden. Erstens zieht das, was man da macht, die Monster magisch an und zudem braucht man eine freie Hand, um die Biester davonzuscheuchen und dazu noch eine ruhige Hockposition. Abends, in der Mückenzeit, sollte man das tunlichst vermeiden und dem Darmtrakt antrainieren, in dieser Zeit Ruhe zu geben.
Zeltplätze sind vereinzelt sogar in den Flußkarten eingetragen, aber öfter muss man sie sich selber suchen. Zeltplatz meint damit eine halbwegs ebene Fläche, auf die man ein Zelt stellen kann mit Möglichkeit zum Feuer machen. Bei der üppigen Botanik ist das nicht immer einfach. Manche Stellen befinden sich am Ufer, sind aber nicht erreichbar, da vielleicht der Wasserstand zu tief ist, manche Inselzeltplätze sind nur bei tiefem Wasserstand zu benutzen, da sie sonst überschwemmt sind. Je nach Wasserstand gibt es also unterschiedliche Möglichkeiten. Am Besten sind die Zeltplätze auf Inseln. Erstens geht da immer etwas mehr Wind, was die Mücken ein wenig zurückhält, dann sind sie meist einfacher anzulanden, da das Ufer eher flach ist. Hier kann man auch das Boot gut hernehmen, um etwas, umgedreht, darunter zu deponieren.
Auf Plätzen am Flussufer kann es sein, dass diese so 2-3 Meter über dem Fluss liegen. Dann muss man schon zusehen, wie man seinen Kram da hochbringt. Das Boot muss dann gut (gut!) vertäut werden und verbleibt im Fluss.
Die Zeltmöglichkeiten sind sehr unterschiedlich. Manche wurden schon mit “Holzarbeiten” versehen. Querstangen für Tarps oder zum Darüberhängen von Dingen, Notunterkünfte, Treibholztische und Bänke... Eine Insel war zum Beispiel vollausgestattet. Quasi ein komplettes Wohnzimmer mit allen Annehmlichkeiten. Natürlich stiftet das jeden Vorbeikommenden dazu an, auch etwas Selbstgezimmertes dazulassen. Die meisten Plätze jedoch sind aber noch Natur Pur! Vor jedem Zeltaufbau muss aber inspiziert werden, ob sich nicht Wild/Bärenpfade, Lachsgräten, Bärenspuren oder Exkremente finden. Wenn dies der Fall ist, weiterfahren und den nächsten Platz okkupieren. Ist der schon von einem anderen Kanuten belegt, weiterfahren... Die Zeltmöglichkeiten liegen teils bis zu 30 Km auseinander, wenn man das Pech hat, zwei sausen lassen zu müssen (Manchmal kommt man auch wegen der rasanten Strömung nicht an die Aussteigestelle heran), kann es passieren, dass man eigentlich für heute Schluss machen will, aber noch unfreiwillig 50 Kilometer paddeln muss. Also steht früh auf, und sucht früh nach einem Platz, nach hinten muss Puffer sein. Ich hatte nämlich das Vergnügen wegen unseres zweiten Bootes, erst spät auf den Fluss gekommen zu sein und wir fanden gegen Abend keinen geeigneten Platz mehr. Mussten also weiter und es wurde dunkel. Es war schlussendlich zwei Uhr Nachts, bis wir was gefunden hatten und es regnete in Strömen!! Das war Prima! Das hat für richtig gute Stimmung gesorgt!
Paddeln und Orientieren
Man schafft die Tour Wihtehorse-Dawson locker in 14 Tagen, auch wenn einen der Lake Laberge so ca. drei Tage aufhält. Wenn man nun davon ausgeht, dass der Yukon 10 Km/h fließt, kommt man bei fünf Stunden treiben lassen 50 Kilometer weit. Bei insgesamt 750 Kilometer dürfte das niemandem Angst machen. So ist es auch, paddeln muss man hauptsächlich nur zum Lenken, oder um an eine bestimmte Stelle zu kommen. Gegen die Strömung zu paddeln ist verdammt mühselig bis unmöglich. Durch den Lake Laberge muss man allerdings komplett mit eigener Muskelkraft. Dieser See ist 70 Km lang und berühmt/berüchtigt für seine hohen Wellen. Da am Yukon sich das Wetter alle Viertelstunde ändert, kann es auf dem See gefährlich werden, wenn Wind aufzieht. Also am Besten am rechten Seeufer entlang. Wir hatten hier einen Tag Pause eingelegt, weil es so schön war. So weit blicken, wie bei diesem See, kann man dann eine ganze Weile nicht mehr.
Das Wetter ist recht unbeständig. So kann es sein, dass man in einem Moment im T-Shirt bei vollkommen wolkenlosem Himmel schwitzt und im nächsten Moment von Tischtennisball großen Hagelkörnern bombardiert wird. Bei uns lagen zwischen genau diesen Phänomenen zwanzig Minuten. Es ist aber aufgrund der Nordlage ein Gebiet mit recht trockener Luft und vielen Hochs.
Die Flußkarte gibt schon einen sehr guten Überblick über den Verlauf, kann aber nie aktuell sein, da sich jedes Jahr die Strömung und auch die Inselbildung ändern. Eine zusätzliche topografische Karte leistet bestimmt gute Dienste, hatten wir aber auch nicht. Die Karte muss wassergeschützt verpackt sein. Auf der Karte sind manchmal besonders markante Bäume als Orientierungspunkte eingezeichnet, oder aber auch geologische Uferbeschaffenheiten. Es schadet also nicht, vorher in Whitehorse mal eben diese englischen Begriffe nachzuschlagen, falls man sie nicht schon kennt. Die größeren Orientierungspunkte wie gestrandete Schiffe oder Indianerdörfer, sind nicht zu übersehen. Die Indianerdörfer Hootalinqa und Big Salmon Village eignen sich auch hervorragend als Übernachtungsplatz. Es gibt da sogar irgendwo schon eine große Feuerstelle. Ansonsten gilt dort natürlich: Ansehen ja, mitnehmen oder kaputt machen nein!
Später dann, wenn der Yukon so richtig breit wird, an einer Stelle sogar fast 2 Kilometer, ist das mit der Orientierung so eine Sache. Zwar gibt es auf den Karten dann viele Durchfahrtspfeile, aber durch die hunderte Inseln ist es kaum zu schaffen, immer genau die richtige Durchfahrt zu treffen. Besonders blöd ist es, wenn man nach einer Kurve in einer Bieberdammsackgasse landet.
Zwar könnte man auch heute ein GPS mitnehmen, aber ehrlich, wer will schon mit einem Elektrogerät den Yukon lang paddeln? Die Flußkarte ist vollkommen ausreichend.
Man paddelt nicht allein auf dem Yukon. Ein Boot, das zeitgleich an derselben Stelle einsetzt, wird man einfach öfter mal sehen. Mal ist der eine schneller, mal der andere, irgendwann trifft man aber dann doch wieder aufeinander. Plötzlich tauchen auch mal neue Boote auf und andere sieht man nie wieder. Wir hatten so ca. 5-6 verschiedene Boote auf dem Yukon getroffen. Dabei ist mir aufgefallen, dass mir Menschen dort in der Wildnis mehr Angst machen, als jeder Bär. Zum Beispiel die Gruppe junger, schießwütiger, besoffener Österreicher.
Paddeltechnisch wird nicht allzu viel verlangt. Das Boot gerade zu lenken ist schon mal nicht verkehrt. Man bringt sich das ja alles selber bei. Probiert dies und das. Irgendwann kann man auch das komplette Boot durch alle Hindernisse alleine lenken. Apropos Hindernisse: es gibt ja auch Stromschnellen. Die eine ist eigentlich nur ein Geröllfeld, durch das man dann durchsaust und nur zu gucken hat, dass man nicht direkt auf einen Felsen fährt und die andere, sehr bekannte, heißt Five Finger Rapids. Wenn einer heroisch von seinem Kanuabenteuer erzählt, dann wird er berichten, dass er fast in den Fluten der Rapids abgesoffen sei, aber wegen seines Geschicks und Mut dann doch überlebt hat. So ähnlich habe ich das tatsächlich mal in einem Reisebericht gelesen und auch im Buch Yukon-River-Saga von Andreas Kieling wird maßlos übertrieben. Richtig ist, dass man die Fünf Finger, die sich durch riesige massive Felsbrocken durchquälen, bedrohlich rauschen hört und dass man tatsächlich nur durch die ganz rechte Durchfahrt nehmen sollte. Wir sind dann vorsichtig nah rangefahren, Boot gerade gestellt und haben uns vom Sog durchreißen lassen. War alles kein Problem, nur der Vordermann wird nass bis auf die Knochen. Vorher also Regenmontur anziehen!
Bei den Nebenflüssen hatten wir noch ein paar nette “Hindernisse”. Zum Einen einen ganz flachen, spiegelglatten Sandsee. Die Schwierigkeit bestand darin, nicht festzusetzen. Es war da aber zauberhaft. Dieses Wasser spiegelte die Berghänge ohne eine einzige Kräuselung, die Adler schrieen und sonst hörte man nichts. NICHTS. Keinen Wind, kein Geplätscher... Außer dem Adler war es absolut still. Beeindruckend! Andernorts gibt es einen monströsen Bieberdamm, der nur einen Durchlass von etwa genau einer Bootsbreite hat und zudem noch sehr kurvig ist. Man ist verloren, wenn die Strömung einen unter die Baumstämme drückt. Zudem sitzt da gerne der Petz wegen den vielen Lachsen.
Und zum Anderen gab’s noch einen Strudel, der sich über die gesamte Flußbreite hinzog. Der ist auch in der Flußkarte eingezeichnet. Daher vorher mal aussteigen und sich das ansehen. Dann kann man in etwa abschätzen wie schnell und wohin er das Boot wegdrückt, damit man dagegen lenken kann.
Müll macht man auch da draußen. Da es ja keine Abfalleimer gibt, nimmt man den natürlich mit. Dabei wird alles, was sich nicht verbrennen lässt, sauber ausgewaschen oder ausgebrannt. Der Bär riechts sonst auf jeden Fall. Also schaut man schon beim Einkaufen, dass man so wenig wie möglich Verpackungen mitnimmt und alles in Tupper oder irgendwie wiederverwendbare Behältnisse packt. Praktisch als Müll im Müll haben sich eins, zwei Konservendosen (leer und ausgebrannt) erwiesen, in die, wenn man den Deckel nicht vollends beseitigt, kleinere Abfälle stecken kann, die sonst rumfliegen könnten. Man kann ja den Deckel wieder zudrücken.
Man hat also jeden Tag auch eine gewisse Zeit mit seinem Müll zu tun. Eines Tages, bei der Müllpflege, ist mir dann auch aufgefallen, wie essentiell jede Tätigkeit bei so einer Tour eigentlich ist. Egal was man macht, es ist wichtig und hat mit meinem Leben direkt zu tun. Zuhause dagegen verschwendet man so viel Zeit mit Blödsinn. Überhaupt ist das Thema Deutschland vollkommen abgeschrieben dort. Da man ja ständig irgendetwas macht, in dieser grandiosen Landschaft, schleicht sich noch nicht mal ein Minigedanke an zu Hause ins Hirn. Niemand hat das je thematisiert und zum Glück war ich auch nie mit Quasselstrippen unterwegs.
Feuer ist überlebenswichtig. Zum Kochen und Heizen. Man muss aber immer die Feuerstelle komplett löschen, da auch dort die Waldbrandgefahr groß ist. Jeder sieht das, der den Yukon paddelt. Es gibt einige Abschnitte, da stehen nur schwarze Stangen rum.
Bären sind da auch ein paar. Man hört sie eigentlich öfter, als dass man sie sieht. Da sie sich daran erfreuen, keine natürlichen Feinde zu haben, gehen die nicht unbedingt zimperlich mit der Botanik um. Wir haben aber gerade mal einen Bären gesehen. Ein Jungtier noch dazu, was uns einige Zeit am Ufer begleitet bis, bis die Mutti nach ihm rief. Manche sehen keinen einzigen Bären. Wie man sich nun bei einem Zusammentreffen mit einem Bären richtig verhält, wissen bestimmt einige hier besser. Wir haben nur versucht, jegliche Konfrontation zu vermeiden und wussten, dass Bären alles besser können als wir. Besser klettern, schneller rennen und besser schwimmen. Dafür sehen sie schlecht und eigentlich interessieren sie sich ja auch nur für unser Essen und nicht für uns als Hauptgang. Auf Bärenspray haben wir verzichtet, da man das dann im Fall der Fälle bestimmt nicht direkt findet, die Windrichtung nicht stimmt oder oder oder... Über den Tipp, unsere Lebensmittel mindestens 150 Meter vom Zelt entfernt zu lagern, bestenfalls an einem Baum in 5 Metern Höhe, konnten wir nur müde lächeln… Kaum ein Lagerplatz hatte eine für uns mögliche Ausdehnung, die Inseln waren eher nur 20 bis 70 Meter lang und hatten teils gar keine Bäume. Und wenn man schon am Ufer campiert, wo es Bäume gibt, sind diese keine 5 Meter hoch, zumindest hängt man da nirgendwo eine schwere Kiste hin. Trotzdem haben wir sie etwas vom Lager weggeschleppt und auch dort alles andere deponiert, was riecht, wie Bonbons, Zahnpasta, Cremes etc.
Reisepartner
...sollte man sich bedacht aussuchen bei so einer Tour. Mit meinem Paddelpartner hat alles sehr gut geklappt, nur das zweite Boot war eine Katastrophe. Wir haben sehr viel Zeit damit verplempert auf diese Herren zu warten, da sie anscheinend nur Zickzack-Kurs fahren konnten. Immerhin können sie sich bestimmt damit brüsten, 1000 Kilometer auf dem Yukon gefahren zu sein... Nein im Ernst, das hat einfach nicht gepasst. Die Zwei standen eigentlich nie vor 12 Uhr mittags auf, weil man ja schließlich Urlaub hat. Daher war der ganze Tag so weit nach hinten geschoben, dass wir abends nur noch im Dunkeln agieren konnten. Und ein halber Tag ward nutzlos verschenkt. Da gab es also schon den ersten Ärger. Dann folgten ständig weitere Zickereien bis wir uns dann getrennt haben. Daher ist es auch gut, eine zweite Flußkarte zu haben.