Dieses Jahr war ich wieder in meiner alten Heimat, fast alles ist gänzlich anders gekommen als ich es mir vorgestellt hatte.
Hatte blöderweise auch Pech mit Unwetterkatastrophen in den Gegenden wo ich eigentlich hin wollte und bin auch noch unvermittelt krank geworden.
Trotzdem, was ich erlebt habe war jenseits von aller Planung und es waren ein paar unvergessliche Erlebnisse dabei von denen zwei wirklich extrem waren und eigentlich fast als Survivalsituationen angesehen werden können.
Tour 1: Wo zum Teufel ist mein Zelt?
Das Baiului Gebirge liegt direkt gegenüber von Rumäniens größter Bergatraktion, dem Bucegi Gebirge, dem felsigen Giganten mit seinen Nationalheiligtümern dem Sphinxfelsen und dem Omu Gipfel. Durch Seilbahnen und die Lage direkt am Prahovapass ist das Bucegiplateau zumindest an seinen Hotspots im Sommer mit Flip Flops tragenden Bukarestern überlaufen.
Schon oft stand ich auf dem Bucegi gebirge und blickte nach Osten und fragte mich was wohl dieses langgezogene namenlose Gebirge dort sein könnte.
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Blick vom Bucegi auf das Bailui Gebirge aus dem Jahr 2008
Irgendwann hab ich es dann mal als Muntii Baiului identifiziert, deren nördlicher Abschnitt auch Muntii Neamtului- also das Gebirge des Deutschen, bekannt ist. Ich hab mir immer mal wieder vorgenommen dort mal hinzugehen, habs aber dann nie gemacht. Auch dieses Jahr standen die die Muntii Baiului nicht auf meiner Liste aber in den Gebieten wo ich eigentlich hin wollte, gab es extreme Unwetter mit Überschwemmungen wo ganze Dörfer weggespült wurden. Also muss improvisiert werden.
Die Idee ist mir eher spontan gekommen, hab sie dann auch schnell in die Tat umgesetzt. Zum Glück hatte ich eine Karte wo dieses Gebirge auch eingezeichnet ist. Ohne all zu viel Planung hab ich mir Essen für ca. 3 Tage besorgt und hab am nächsten Tag den Zug nach Azuga genommen.
Hier wandert man erst mal die Straße lang:
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...an Wunderwerken kommunistischer Baukunst.
Am Ende des Dorfe beginnt dann der Forstweg.
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Zuerst noch ziemlich Plantagenmäßig beginnen die Wälder schnell wilder zu werden.
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Hier hab ich auch eine Menge Tierfährten gefunden:
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Links ziemlich verwaschen ein Bär der den Schritt gezogen hat dadurch das "Gefälle" unten. Rechts Hirsch ebenfalls gezogen. Sieht dann fast wie Menschenspuren aus.
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Hier auch mal ein Super Beispiel für eine Wolfsspur. Wie man sieht wurde die Hinterpfote in das Trittsiegel der vorderen gelegt. Diese Art des gehens nennt man "schnüren" auf deutsch und ist einzigartig für Wölfe, damit kann man sie von Hunden unterscheiden.
Wie erwartet war die Karte nicht wirklich genau und ich lief auf einem Weg der gar nicht eingezeichnet war, nicht genau wissend wohin, aber grob in richtung Kamm. Der Forstweg ging rechts den Berg rauf, aber ich hatte keine Lust dem zu folgen, der Bachlauf sah viel interessanter aus und wer weiß wohin der mich noch führen würde.
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Weiter gehts immer höher Wegelos den Bachlauf entlang
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Hier wirds schon richtig schön wild.
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Irgdenwann verengt sich der Bachlauf und wird so steil dass ich nicht mehr direkt an ihm weiter kann, also entscheide ich mich recht den Hang hoch zu gehen.
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Ab hier laufe ich durch einen alten Buchenwald. Ohne Weg folge ich den Wildwechseln.
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Ein gefallener Riese.
Nach einiger Zeit erreiche ich auch die Baumgrenze. Diese ist durch die Schafe etwas niedriger als sie natürlich wäre.
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Hier oben ist Wolfsland und Schafe enden oftmals so.
Der Kamm des Baiului Gebirges ist ganz anders als jedes andere Gebirge das ich kenne. Es ist zwar ein Hochgebirge mit fast 2000 m Meereshöhe aber es gibt keinen einzigen Felsen im ganzen Gebirge. Es gibt nur endlose Hochsteppen. Oft genug denkt man man ist irgendwo in der Mongolei gelandet. Diese besondere Athmosphäre in den Hochlagen der Karpaten macht sich hier besonders stark bemerkbar. Es ist mit Worten natürlich schwer zu beschreiben, aber durch dieses fehlen von fast allem hier oben, hat man sehr viel stärker das Gefühl von total Einsamkeit als in Gebirgen die felsiger sind.
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Wilkommen in der Mongolei... ähm Rumänien natürlich.
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Auch hier oben, untrügliches Zeichen dass es voll ist mit Wölfen hier. die Hirten, die einzigen Menschen die ich hier oben traf sagten das selbe, sie verfluchen die Wölfe. Hier muss es echt viele geben. Ist auch eine gute Landschaft für sie.
Wegen der Wölfe haben die Hirten auch sehr viele Hirtenhunde. Ich wurd hier regelmäßig von den Hunden umkreist und angebellt. Teilweise ziemlich nervenaufreibende Situationen. Bis der Hirte kommt ist man ganz auf sich alleine gestellt. Hab darum in solchen gegenden immer einen Prügel dabei um die Köter auf Distanz zu halten. Ich bin das mitlerweile gewöhnt, war aber schon mit Leute unterwegs die das noch nie erlebt haben und die habens dann mit der Panik bekommen. Etwas was man nicht tun sollte.
Ich geh immer weiter auf dem Kamm Nordwärts:
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Namenloser Gipfel mit ewig altem Kreuz
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Hier an dem Rinnsal hab ich mein Wasser aufgefüllt. Was da so Neongelb blüht ist Frauenmantel in rauhen Mengen. In solchen Baumlosen Hochlagen immer ein guter Indikator für Wasser.
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Links vermutlich der Unghia Mare, ein Gipfel der neben dem Hauptkamm liegt und daher wohl fast nie begangen wird.
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Hier bin ich auf dem "Varful Rusului" (Gipfel des Russen) mit 1901 m. Es gibt hier auch einen Türkengipfel und natürlich ist der höchste Gipfel dieses Massives "Neamtului" (Der Gipfel des Deutschen)
Im Sattel zwischen Rusului und Stevie hab ich mein Zelt aufgebaut. dem einzigen halbwegs ebenen Plätzchen hier. Im Bucegigebirge hat es Gewitter gegeben und auch hier kam etwas Regen an aber nicht die Welt. Es hatte sich schnell wieder aufgeklart.
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Zum Abendessen gabs Chinainstantnudeln verfeinert mit kleinen Riesenbovisten die hier oben in rauhen Mengen wachsen:
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Zwar war es klar aber diese Wolken die die Hänge hochziehen waren ein Warnzeichen. Ich hoffte aber auf gutes.
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Nachts kam es dann aber anders. In allen Gebirgen um mich herum gabs gewaltige Gewitter, entgegen aller Wetteransagen. Über all Donner um mich herum und dann auch ein starker Wolkenbruch. Ich hab noch ausgeharrt aber gegen 3 Uhr nachts kams dann ganz Dicke. Ganz in der Nähe hinter mir Schlug ein Blitz am Gipfel ein und ich war direkt im Kern des Gewitters. Zwar müsste ich im Sattel recht sicher sein, aber man weiß nie. Also schnell angezogen das wichtigste in die Taschen gestopft und runter zur Baumgrenze gerannt und mich unter eine kleine Fichte gekauert. Lieber wird das Zelt getroffen als ich. Nachdem das Gewitter vorbergezogen war war mein Plan eigentlich wieder ab ins Zelt und wieder aufwärmen.
Hier ist es dann geschehen. Ich hab das verdammte Zelt in der Dunkelheit, dem Regen und Nebel nicht mehr gefunden obwohl es reflektierende Spannschnüre hat. Ich laufe am Hang hoch und runter, zwar ohne Blitze aber immer noch im strömenden Regen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hab ichs dann aufgegeben.
Das war schon psychisch eine schreckliche Situation. Völlig verirrt in der Dunkelheit ohne den Großteil meiner Ausrüstung.
Ich musste als kurzerhand entscheiden, runter von der der Hochebene und ab zu den Bäumen. Unter einer der kleinen extrem dicht gewachsenen Fichte hab ich mir dann ganz schnell ein Notlager aus anderen Fichtenästen gebaut die ich über mich gelegt habe und mich in Fötushaltung reingekauert um die Kerntemperatur möglichst zu halten.
Unter der Fichte wars trockener als im freien, aber trotzdem immer noch klitschnass. Das wichtigste war, dass man hier zum großteil vor dem Wind geschützt war. Bei etwa 7°C, komplett durchnässt, hätte der Wind mich getötet.
Hier konnte man es wenigstens halbwegs aushalten, auch wenn ich hier ordentlich unterkühlt war und geschlottert hab.
Das waren die mit Abstand längsten 3 Stunden meines Lebens. In fast absoluter Dunkelheit, Klitschnass. Zwischenzeitlich hab ich immer mal Übungen gemacht um Warm zu werden. Sonst schaff ich ja an die 50 Liegestütze, aufeinmal in dieser Notlage waren 80 Stück aufeinmal kein Problem mehr.
Man hat natürlich immer genau das vergessen was man braucht. Mit einer Rettungdecke wäre ich sher viel angenehmer durch die Nacht gekommen. Ich hab sonst auch immer eine dabei, aber genau diesesmal vergessen. Hauptsache ich hatte ein Messer
Gegen 6 war es halbwegs hell genug um etwas zu sehen. Jetzt kam aber eine Nebelfront die schön gegen mich gearbeitet hat und mir das Suchen nach dem Zelt schön erschwert hat. Eigentlich war das Zelt direkt rechts neben dem Weg in Nordrichtung gesehen. Das war mein Anhaltspunkt. Nachdem ich etlich male zwischen den beiden Gipfeln hin und her bin und schon fast verzweifelt, hab ich das Zelt letzendlich gefunden.
Das war glaub ich einer der glücklichsten Momente in meinem Leben. Hier wurd mit erst mal klar wie extrem ich die Orientierung verloren hatte. Der Hang den ich runtergerannt bin nachdem ich das Zelt in der Nacht nicht mehr gefunden hatte, hielt ich für den Westabhang, aber ich bin den Ostabhang heruntergerannt.
Es ist keine Angeberei wenn ich sage dass ich eigentlich einen überragenden Orientierungsinn habe und wer mit mir unterwegs war, weiß dass ich eigentlich immer den Weg bzw. einen Weg finde.
Aber hier mitten in der Nacht bei Starkregen, Pechschwarzer Dunkelheit, Nebel und einer Grasbewachsenen Hochfläche ohne jegliche Orientierungspunkte ist es mir zum ersten mal passiert dass ich grundlegend den Sinn für jegliche Himmelsrichtung verloren hab.
Das ist mir jedenfalls ein Lehre fürs nächste mal falls mir sowas passieren sollte. Dann werd ich irgendwie meinen Weg markieren.
Im Zelt hab ich mich jedenfalls ersteinmal ausgezogen und bin ab in den Schlafsack um mich auszuwärmen. Zu meiner Überraschung hat das Zelt innen komplett trocken gehalten und hat auch bei dem starken Wind, ohne mein Gewicht nicht anstalten gemacht wegzufliegen.
Das war sein erster harter Einsatz neben nur einmal testweise hier im heimischen Wald aufgebaut. Für wens interessiert ist ein Blackthorne Highlander. Ein Gelert Solo Klon. Winziger Einpersonensarg. Aber wiegt nur 1,3 Kilo hat winziges Packmaß und hat ne kleine Apsis für die Klamotten und den Rucksack. Hat sich jedenfalls mehr als gut bewährt.
Gegen 9 Uhr war ich wieder halbwegs aufgwärmt. Dann also Satz trockener Sachen an und alles zusammengepackt. Eigentlich wollte ich auf den Neamtului Gipfel, aber es war extrem dichter Nebel und auch noch am Regnen. Und nach dem nächtlichen Abenteuer war ich auch schön ausgezehrt um jetzt noch den ganzen Kamm durchzuziehen.
Von dem ohnehin kaum erkennbaren Pfad war jetzt erst recht nix mehr zu erkennen, also ab wegelos den Westhang hinunte querfeldein durch den Bergwald.
Immerhin hab ich hier aus der Not eine Tugend gemacht und einen völlig unbekannten und wegelosen Abschnitt durchquert mit wilden Bergfichtenwäldern. Ab hier hab ich dann auch wieder Fotos gemacht:
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Einfach nur grandios diese Bergwälder
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An dem Zusammenfluss zweier Bergbäche war eine kleine Wiese nachdem ich diese durchquert hatte tauchte ein kleiner Hirtenpfad auf. Hier war ich wieder in der Zivilisation und brauchte nur dem Weg ins Azugatal zurück nach Azuga folgen.
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Nun dies war ein ordentliches Abenteuer auf einer "kleinen" eigentlich gar nicht vorgesehenen Tour. Ich hab einige völlig ebgelegene Orte entdeckt und eine "Survivalsituation" gehabt die gar nicht so ist wie mans sich immer vom gemütlichen Sessel aus ausmalt, mit Messer und Feuerbohren und Figure 4 Trap Elche fangen. Es waren zum einen Entscheidungen zu treffen und die absoluten Grundlagen umsetzen und zum anderen einfach stumpfes stoisches ausharren und ganz viel geht vom Kopf und der Mentalität aus.
Das wars fürs erste. Es folgt noch eine schöne Genusstour mit Ernähren aus der Natur, fast schon wie eines unserer Bushcrafttreffen, und unerwarteten Begegnungen und noch einmal kommts ganz hart.