Moin miteinander!
Weil ja hier viele ihre eigenen Messer bauen, und weil Messer ja DAS top Outdoorspielzeug schlecht hin sind, will ich nun auch mal einen raushauen.
Vorweg - Ich kenne mich zwar ganz gut mit Werkzeugstählen im allgemeinen aus, bin aber bestimmt nicht der tollste Schmied oder Messermacher. Bei mir ist das nur Hobby Nr. XXXX. Dennoch will ich mal versuchen, hier die Herstellung eines vollwertigen Gebrauchsmessers aus Schrott zu erläutern.
Hier ist das gute Stück, welches nun ein neues Leben als Messer bekommen soll. Von den Sachen die man so aus dem Schrottcontainer ziehen kann ,ist Kugellager so mit das Beste was man zur Messerherstellung nutzen kann.
Bei rostenden Kugellagern bis zu einer Wandstärke von 30mm, handelt es sich fast immer um 100Cr6. 100Cr6 gehört zu den mittellegierten
Kaltarbeitsstählen zu denen z.B. auch 01- und 02 Stahl gehören. Obwohl die Zusammensetzung bei 100Cr6 etwas einfacher ist, merkt man bei der Verwendung als Messer da keine Unterschiede.
Wen es interessiert, 100Cr6 enthält : ca. 1% Kohlenstoff, 0,2-0,3% Silizium, 0,25 -0,45% Mangan , 1,3 - 1,6% Chrom und je nach Hersteller noch geringe Mengen an Vanadium.
Als erstes wird das Kugellager per Flex und Trennscheibe an einer Seite eingeschnitten.
Danach wird das Kugellager in der Esse erhitzt, und mit einer großen Rohrzange solange auseinander gebogen, bis man es auf dem Ambos flachhämmern kann.
Dies ist auch schon der erste kritische Moment bei dem man unbedingt darauf achten sollte dass, das Kugellager nicht zu Ruckartig und auf keinen Fall zu Kalt verformt wird. Wenn es so aussieht wie hier auf dem Bild, ist es schon zu kalt und muss zurück ins Feuer. Wenn man jetzt mit brachialer Kraft weiterbiegen würde, entstehen schnell kleine Risse im Stahl die man meistens erst am ganz am Ende beim Härten oder Schleifen bemerkt. Außerdem sollte man auf die herausfallenden glühenden Kugeln achten um das Verletzungs- und Brandrisiko zu minimieren.
Wenn die Bahnen erst einmal aufgebogen sind kann man sich schon viel eher vorstellen wie daraus ein Messer werden soll.
Wenn eine der Bahnen dann auf die gewünschte Dicke flach gehämmert ist, wird sie auf dem Abschrot auf die gewünschte Länge gekürzt.
Man kann natürlich auch hier wider die Flex nehmen, aber das Abschrot geht schneller und ist auch einfach "Cooler".
Wenn man den Stahl nun auf die gewünschte Länge gebracht hat, kann man damit beginnen die Spitze zu formen. Hierfür gibt es verschiedene Techniken, ich mache das so dass, ich den Flachstahl im angepeilten Winkel auf den Ambos halte und mit dem Hammer auf den späteren Rücken der Klinge schlage. So bekommt man einen schönen Bauch an die Klinge, während der Rücken relativ gerade bleibt.
Die "Nase" die sich an der Spitze bildet wird nochmals abgeschrotet, und die Spitze mit ein paar Schlägen gerichtet, um der von mir angestrebten Droppoint Form etwas näher zu kommen.
Der so entstandene Flachstahl mit Spitze, muss nun gerichtet werden. Normalerweise macht man das auf dem Ambos oder einer Richtplatte, aber dar der Ambos schon tausend Jahre alt ist, und keine besonders gerade Bahn mehr hat, mache ich das lieber im Schraubstock mit diesen improvisierten Spezialbacken. Auch hierbei sollte man darauf achten den Stahl nie zu Kalt zu verformen.
Hier liegt auch der größte unterschied zum Messermachen aus fertigem Flachstahl. Wenn man den Stahl erst selber schmiedet wird dieser unweigerlich krumm und uneben was das weitere bearbeiten etwas komplizierter macht. Besonders bei langen Werkstücken ist es sehr schwierig diese zu hundert Prozent gerade zu bekommen. Besonders ärgerlich wird es wenn sich der Stahl verdrallt hat. Sowas wieder raus zu bekommen kostet viel Gefühl und Nerven.
Das ist das gute Stück dann, man erkennt noch leicht die Laufspur der Kugeln in der Mitte. Das kann auch so bleiben ich persönlich finde das gut wenn man hinterher noch erkennt was es mal war. Ein guter Schmied ( der ich nicht bin), würde jetzt auch noch die Griffkontur und zumindest einen kleinen Teil des Schneidenwinkels schmieden. Wenn ich das mache ist hinterher aber alles krumm und unterschiedlich dick, und ich verbringe qualvolle Stunden damit alles wieder gleichmäßig zu bekommen. Also bin ich an dieser Stelle auf die Flex umgestiegen, einfach weil es genauer und schneller geht.
Die Äuußeren Radien mache ich auf einem einfachen Schleifstein, für die inneren Radien im Griff ist mir die Flex mit grober Lamellenscheibe am liebsten.
Ich habe mal sowas in Richtung Scandischliff probiert, die Schmiedehaut an den Seiten bleibt dran, sie schützt ein bisschen vor Rost und ich finde den rustikalen Look einfach super. Außerdem erspare ich mir so eine Menge lästige Schleifarbeit. Hierbei sind Leute mit einem richtig guten Bandschleifer ganz klar im Vorteil, wenn man den nicht hat nimmt man am besten erst mal die Flex fürs grobe und für die letzten Millimeter dann die Feile. Bei so einem kleinen Messerchen ist der Arbeitsaufwand aber auch so noch überschaubar.
Wenn das Messer soweit ist kommt es eigentlich über Nacht in die Glut zum Weichglühen, was auch für das arg strapazierte Metallgefüge nicht schlecht gewesen wäre, aber weil ich fertig werden wollte und es durch das schmieden weich genug zum Feilen war, habe ich an dieser Stelle gepfuscht, was sich auch im nächsten Schritt rächen wird.
Hier habe ich die Löcher in den Griff gebohrt. Was man auf dem Bild nicht sieht ist dass, mich die drei Löcher auch drei Bohrer gekostet haben. Man merke : Weich genug zum feilen, heißt nicht weich genug zum bohren!
Durch das rumgemurkse ist die mittlere Bohrung auch nicht genau mittig geworden, weswegen ich diese beim verstiften ausgelassen habe.
Nach dem bohren habe ich dann die Schneide schon mal etwas mit Schleifleinen, bis 380er Körnung bearbeitet. Das geht jetzt noch bedeutend einfacher als hinterher wenn der Stahl gehärtet ist. Wichtig ist hier die Klinge noch nicht scharf zu schleifen, sondern noch ein paar zehntel Millimeter stehen zu lassen, weil die Schneide sonst beim Härten wellig wird oder Risse bekommt.
So weit so gut. Das Schwierigste an der ganzen Messermacherei ist meiner Meinung nach die Spitze genau gleichmäßig zu bekommen. Mir ist das hier auch nicht tausend prozentig gelungen, aber wenn man sich so manches gekaufte Messer ,auch im höherpreisigen Sortiment anschaut brauche ich mich wohl nicht zu verstecken.
Zurück in der Schmiede kommt nun die Wärmebehandlung oder das sogenannte Normalglühen. 100Cr6 ist zwar nicht übermäßig komplex aufgebaut, aber der typische "Anfängerstahl" ist er auch nicht, also sollte man sich hierbei schon ein bisschen Mühe geben.
Das Gefüge des Stahles ist durch das Umformen und die beim schleifen entstandene Hitze komplett verspannt. Wenn man jetzt sofort härten würde ,würde das Messer im schlimmsten Fall brechen oder Risse bekommen. ( Ist mir tatsächlich schon passiert ; ein wahrlich erhebendes Gefühl ! ) Wenn man "Glück" hat und die Klinge nicht gleich reißt, hätte man immernoch ein sehr sprödes, grobkörniges Gefüge. Das erkennt man z.B. daran dass, man das Messer einfach nicht scharf bekommt.
Zum Normalglühen wird das Messer mehrmals auf 870 -900 Grad erhitzt ( die genaue Temperatur ist abhängig vom verwendeten Stahl), ein paar Minuten auf dieser Temperatur gehalten und dann an der Luft abgekühlt. Wenn der Stahl nicht mehr glüht wartet man noch ein bisschen und wiederholt diesen Vorgang ca. drei bis fünf mal.
Natürlich ist es mir im Kohlenfeuer und nur anhand der Glühfarbe nicht möglich den Stahl immer genau auf 870 Grad zu bringen, zumal ich ihn unter der Kohle nicht sehen kann, aber man versucht es eben so gut es geht, ein bisschen "Fingerspitzengefühl" gehört einfach dazu.
Stähle mit weniger Kohlenstoff(unter 0,7%) sind da unproblematischer weil man bei diesen mehr Spielraum nach oben hat.
Vom Härten habe ich leider keine Bilder gemacht . Da muss es schnell gehen und man muss sich konzentrieren weswegen ich das mit den Bildern verpennt habe.
Wekzeugstähle werden aber optimaler weise immer in warmem Öl abgeschreckt. Wenn der Stahl viel Kohlenstoff enthält sollte man auch gleich nach dem härten anlassen.
Zum härten gibt es aber auch schon einen guten Beitrag in dem eigentlich alles gesagt wurde :
Das Härten von Messerklingen im Heimwerkerstil
Nach dem härten wandert das Teil in den Backofen zum anlassen. Angelassen habe ich 3x 20 min bei 190 Grad und zwischen den einzelnen Durchgängen mit Wasser abgekühlt. Man erkennt es auf dem Bild nicht gut aber die Klinge hat eine goldgelbe Farbe angenommen. Chrom-, Nickel- und Manganlegierte Stähle (Also fast alle besseren Werkzeugstähle) sollten nach dem Anlassen schnell abgekühlt werden um sogenannte "Anlasssprödigkeit" zu vermeiden.
So ; Das Messer an sich ist fertig , also kommen wir zum Griff. Das Holz ist Ostindischer Palisander. Ist komischer weise eines der günstigsten Edelhölzer die man so bekommt.
Also , Konturen aufzeichnen und aussägen. An dieser Stelle ist es wichtig die Seiten die hinterher vorne an der Klinge sind, schon vorher aufeinander anzupassen, dar man an diese Stelle nachher nur noch schlecht dran kommt.
Hier gibt es jetzt verschiedene Möglichkeiten. Ich bohre eine Seite mit dem Messer, und dann die eine Seite auf der anderen. Man kann aber auch beide Seiten auf dem Messer bohren. ( Die Klinge nicht zu umwickeln war natürlich ein sicherheitstechnischer Supergau, aber wie das so ist, hab ich in dem Moment nicht dran gedacht.)
Dann hatte ich ein kleines Malör mit den Stiften. Ich hatte 6mm Messingstange und 6mm Messingrohr aus dem Baumarkt gekauft. Die waren aber leider nicht 6 sondern 6,3 mm, und die löcher größer bohren ging auch nicht weil ich so einen Bohrer nicht habe. Also habe ich die Stifte etwas abgeschliffen und dann mit viel Kraft in die Löcher gekloppt. Mit dem Resultat dass, das Röhrchen etwas eingeknickt ist. Ist blöd aber ich kann damit leben.
Damit der Kleber Trocknen kann bleibt das Ganze dann eine Nacht im Schraubstock.
Nachdem der Kleber getrocknet war, habe ich dann die grobe Kontur des Griffes mit Raspel und Feile ausgearbeitet.
Nach dem feilen habe ich alle vier Seiten erst mit 80er, dann mit 320er Schleifleinen abgerundet. Hinterher bin ich nochmal mit 500er Sandpapier über die Kanten gegangen, das reicht für mich soweit. Palisander hat eine recht feine Struktur weshalb man relativ schnell eine schöne Oberfläche erhält.
Jetzt kann auch endlich die Klinge geschärft werden. Zum groben vorarbeiten habe ich hier auch wieder 320er Schleifleinen verwendet.
Anschließend gab es ein paar Runden auf dem Wasserstein. Wenn man beim schleifen merkt das es auch bei relativ grober Körnung schon richtig scharf wird, hat man ein feines Gefüge, und dem entsprechend bei der Wärmebehandlung zumindest keine große Sch... gebaut.
Ich habe nur bis 3000er Körnung geschliffen ; Da geht sicher noch mehr aber für mich ist das lange scharf genug.
Achtung das nächste Bild ist sehr Unästhetisch!
Die Beine bekomme ich jedenfalls aalglatt damit, und das ist neben Dosen öffnen, ja auch das wichtigste was ein Bushcraftmesser können muss.
Zum Schluss habe ich den Griff noch mit Leinöl eingerieben. Und...
...Fertig!!!
Wenn man bedenkt das es mal ein Kugellager aus dem Industrieschrott war ist es doch recht hübsch geworden.
Zur Vollständigkeit noch ein Paar Daten: Klingenlänge 97mm , Grifflänge 115mm , Klingenhöhe 23mm, Klingendicke 3mm,
Gewicht ca.120 Gramm , Härte ??? tja das kann man wenn man es selber macht nie so genau wissen, und die Datenblätter verschiedener Hersteller von Kugellagern gehen auch etwas auseinander, aber ich denke 60 HRC hat es auf jeden Fall. Ist viel ich weiß ,aber so ein kleines Messer darf für mich auch ein bisschen härter sein, ist ja auch zum schneiden und nicht zum kloppen.
Die Scheide ist in Arbeit, und ein kleines Feldreview kommt auch noch, bis dahin und viele Grüße an alle! Holger.