So denn ihr lieben Leute ;
Nachdem ich mir schon das ein und andere mal an den kälteren Tagen, morgens vor der Schicht am Fahrrad den Po ab gefroren habe, bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Zeit für Regenjacke mit Pulli drunter langsam vorbei ist.
Und weil hier in letzter Zeit schon ein paar schöne Nähprojekte waren, hat es mich auch wieder in den Fingern gejuckt, woraufhin auch ich die alte Pfaff wieder aus der Kammer geholt habe.
Entschieden habe ich mich für eine Neuauflage meines Zeltbahn Anorak´s. Der alte war zwar schon nicht schlecht, aber als eines meiner ersten selbst genähten Stücke war der einfach noch nicht ganz so wie ich ihn gerne gehabt hätte.
Ich habe mir lange überlegt ob ich hier nun einfach ein paar Bilder vom fertigen Stück reinstelle, aber ich denke viel interessanter als das Endergebnis ist der Fertigungsprozess. Und weil der gesamte Prozess dann doch etwas komplexer ist als man sich das so denkt, und weil es auch für mich und für euch so angenehmer seien dürfte, werde ich den Beitrag etwas unterteilen. Immerhin sind es am Ende mit allem Schnick und Schnack über hundert Bilder geworden.
Wer allerdings auf leichte Hightech- Materialien und hohe Maßgenauigkeit wert legt wird hier wenig Freude haben, bei mir gibt es Ultra- Heavy und mit der groben Kelle.
Anfangen tuen wir natürlich beim Schnitt und dem übertragen des Schnittes auf das Material.
Als Aussenstoff kommen wieder zwei alte Dreieckszeltbahnen des ÖBH zum Einsatz. Wenn man alle Nähte und Flicken mitnimmt würde vielleicht auch eine schicken aber so kann man beim Stoff ein bisschen auswählen wie man schneidet und hat auch noch etwas Fehlertoleranz. Der Stoff entspricht etwa dem der BW Zeltbahnen und besteht aus reiner Baumwolle. Baumwolle ist zugegebener Maßen nicht der aller tollste Outdoorstoff aber die Zeltbahn ist relativ dicht gewebt und bedeutend robuster als viele der Modernen Kunstfaserstoffe. Außerdem finde ich es faszinierend alte ausgediente Dinge einer neuen Verwendung zuzuführen, und das Tarnmuster gefällt mir auch.
Dar die erste Version des Anoraks nicht mehr in meinem Besitz ist musste ich mir den Schnitt wieder komplett neu ausknobeln. Die meisten Maße habe ich meiner Regenjacke entnommen und den Schnitt einfach etwas weiter gemacht. Ein gekauftes Schnittmuster ist natürlich besser aber eben auch nicht wirklich selbst gemacht. Die erste große Schwierigkeit die sich beim Arbeiten mit "recyceltem" Material bietet ist, dass man kaum genau geraden Kanten als Bezugspunkt hat und alles von Hand ausmessen und aufzeichnen muss. Außerdem stören die Nähte und Öffnungen in der Zeltbahn. Material von der Rolle ist da schon benutzerfreundlicher.
Ich wollte die helle Seite außen haben und habe darum auf der gefleckten Seite zuerst den Torso aufgezeichnet. Dabei habe ich erst nur den quadratischen Umriss aufgemalt, die genauen Konturen habe ich, wegen der leichteren Handhabung erst hinterher ausgeschnitten.
Normalerweise werden solche Stücke immer gespiegelt, also eingeschlagen und aufeinander ausgeschnitten. Dies geht aber aufgrund der Form der Zeltbahn nicht, weshalb ich das erste Stück als Schablone für des andere benutzt habe.
Für die Arme hatte ich noch eine alte Schablone die ich auch hier wieder benutzt habe. Hier sollte man darauf achten lieber etwas zu lang zu rechnen. Abschneiden kann man hinterher immer noch, was in jedem Fall besser ist, als noch was anzunähen.
Auch hier wird der eine Arm als Muster für den anderen verwendet. Ein langes Stück Blech oder eine gerade Holzlatte ist beim aufzeichnen sehr hilfreich.
Nach Torso und Ärmeln ist die erste Zeltbahn auch schon dahin. Die leichte Drachenform und die vielen Nähte zwingen einen schon ziemlich zum "stückeln", aber der harte Myoger wächst ja mit der Herausforderung.
Für die Kapuze musste ich schon die zweite Bahn anbrechen. Auch hier habe ich wegen der besseren Handhabung erst ein Stück in quadratischer Form ausgeschnitten.
Nun war auch genug Platz um es mal richtig zu machen, also - Das Quadrat in der Mitte falten und beide Seiten gleichzeitig ausschneiden.
So wird der Schnitt an beiden Teilen genau gleich. Man könnte hier auch einen leichten Bogen für die Schultern mit ausschneiden, dann wird es aber kompliziert die Rundung für das Kopfloch zu Berechnen. Also habe ich den Abschluss gerade gelassen, was in der Praxis hinterher auch kaum auffällt.
Dann wird das Mittelstück für die Kapuze ausgeschnitten, welches ich auch extra ein gutes Stück zu lang gemacht habe, um mir fummeliges Rechnen und Messen zu sparen.
Das hier wird die Bauchtasche. Auch hier wieder - Falten und beide Seiten gleich schneiden. Die Bauch/ Brusttasche ist neben der kleinen Oberarmtasche die einzige Tasche an dem Anorak und deshalb auch extra groß dimensioniert. Mir ist eine große Tasche lieber als zehn kleine, aber dass ist wohl auch zum Teil Geschmackssache, außerdem spart man sich so Arbeit.
Nun wird der Torso auf seine endgültige Form gebracht.
Die Öffnung für den Kopf sollte so nach vorne versetzt sein, dass 3/4 vorne liegen und 1/4 hinten. Im Optimalfall sollten Kapuze und Torso dann genau aufeinanderpassen, wer sich nicht sicher ist ,(so wie ich) sollte zusehen dass der Umfang der Kapuze größer ist als der Hals und nicht umgekehrt.
So weit , so gut.
Der neue Anorak sollte auch ein Innenfutter haben. Hierfür habe ich Fleece verwendet. Ein Grund hierfür ist dass Fleece ein guter Schweißpuffer ist, außerdem hat Baumwolle alleine nur sehr mäßige Isolationswirkung.
An dem Punkt ist mir auch aufgefallen, dass ich nicht mehr genug Fleece habe. Also habe ich etwas in meiner Messikammer gesucht und diese tolle Ikea Fleecedecke gefunden. Die hat die Frau Exfreundin mal gekauft, und mit einer Größe 130x170cm dann als unbrauchbar deklariert und unbenutzt eingelagert. (Wie so vieles vom Ikea) Aber dunkelblau als Futter geht ja noch klar und so hat das Ding doch noch seinen Platz in der Welt gefunden.
Zum Schluss wird noch dieser schöne breite Saumrand der Zeltbahn abgeschnitten und von den Knöpfen befreit. Dieser Rand ist schon doppelt gelegt und von beiden Seiten relativ sauber umgefalzt, er wird sich noch an manchen Stellen als sehr nützlich erweisen und eine Menge arbeit sparen.
Das waren auch erst mal alle Teile die ich im Vorfeld zugerichtet habe. Es fehlt zwar noch eine Menge Kleinkram aber das hole ich mir nach bedarf wie ich es brauche, so bewart man sich über die gesamte Fertigung eine gewisse Flexibilität.
Das ausdenken , aufzeichnen und ausschneiden der Einzelteile ist, wenn man es wie ich frei aus dem Kopf macht schon einer der aufwändigsten Arbeitsschritte bei der ganzen Aktion, und dauert fast genau so lange wie eigentliche Nähen. Ganz wichtig beim Schnitt ist sich genug Übermaß für die Nähte mit einzurechnen, da sollte man auf keine Fall am Material sparen, ein bis zwei cm pro Seite sollten es schon sein. Wie schon erwähnt ,überstand abschneiden kann man immer noch.
Das soll´s auch für heute gewesen sein, und ich mach dann die Tage mal weiter. Also bis dahin