Biwak auf 2600m

  • Relativ spät am Samstagnachmittag – ca. um 16:00 Uhr - begann mein Aufstieg ausgehend vom Parkplatz unterhalb des Hospiz beim Julierpass. Eigentlich wollte ich viel früher in den Berg einsteigen, unterwegs gab aber leider der Turbolader meines Autos den Geist auf. An eine Weiterfahrt war nicht mehr zu denken. Bis das Auto geborgen war und ich ein Ersatzauto hatte vergingen 4 Stunden wie im Flug. Aber dies ist eine andere Geschichte. Wie auch immer, ich lies mich nicht von meinen Plänen abbringen und es war ja noch lange hell.


    So schulterte ich meinen Rucksack und das Abenteuer ging los. Auf schmalen Wegen durch Gras und Heidekraut ging es langsam aber stetig bergauf - immer den Wasserläufen folgend. Der Startpunkt war auf ca. 2100 Meter über Meer, noch bei bestem Bergwetter. Mein Rucksack mit ca. 16kg trug sich noch ganz angenehm.


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    Der Aufstieg


    Nach ca. 1km kam mit ein Wanderer entgegen der mich ein wenig entgeistert anschaute und – wie in den Bergen üblich – kurz grüsste. Er dachte wohl zurecht, dass der Aufstieg mit den drohenden Gewitterwolken im Rücken ein wenig spät sei. Wie auch immer, nach ca. einer Stunde kam ich auf ein Hochplateau. Dort hielt ich mich eher links, durchquerte barfuss einen eiskalten Bergbach und war nach einer weiteren Stunde auf ca. 2600m an meinem Ziel angekommen. Die Aus- und Fernsicht war sehr beeindruckend. Leider auch die Gewitterwolken. Murmeltiere warnten ihre Artgenossen mit lauten Pfiffen, ab und zu hörte man ein Vogel. Ansonsten war nur der Bach in ca. 300m Entfernung zu hören.


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    Der Bergbach - reissend und eiskalt.


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    Mein "neuer" Hausberg - Wolken ziehen auf.


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    Das Wetter kann in den Bergen schnell umschlagen.


    So schaute ich mich nach einem geeigneten Biwak Platz um. Das Biwakieren oberhalb der Baumgrenze ist in der Regel in der Schweiz erlaubt. In Nationalparks und Jagdbanngebieten – je nach Region total unterschiedlich – aber verboten. Für dieses Vorhaben brauchte ich einen vollwertigen (Daunen-)Schlafsack (Extrem-Temperatur -15°C), einen Biwaksack (vorzugsweise mit atmungsaktiver Membran) und eine Isomatte, die unangenehme Grasbüschel und den ein oder anderen Stein wegbügeln kann. Dazu kam noch ein Tarp, mein (Monster-)Hobo, Holz (ab 1800m gibt es bei uns keine Bäume mehr), Feldflasche mit Becher (und gleichzeitig mein einziges Kochgeschirr) sowie Ersatzwäsche.


    Ausserdem mussten ich das Essen und Wasser (2 Liter für Abendessen und Frühstück) mittragen. Das Mehr an Freiheit, dass man durch die Übernachtung im Biwak bekommt, erkauft man sich aber gerne mit dem beschriebenen Mehr an Gewicht.


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    Mein Tarp - flach und windgeschützt, gar nicht so einfach mit nur dem Wanderstock, Paracord und Steinen.


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    An der Landschaft angepasst.


    Ein geeigneter Platz fand ich inmitten einer Hochebene. Ein wenig windgeschützt auf einer mehr oder weniger ebenen Grasfläche baute ich mein Tarp auf. Mit meinem Wanderstab (Holz, Esche), Paracord und Steinen zur Befestigung (Heringe hatte ich keine dabei – wären wohl bei dieser Unterlage auch unnütz gewesen) bekam ich eine akzeptable, flache Form hin. Eigentlich wollte ich unter dem Sternenhimmel schlafen, aber das Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung. Gerade als ich fertig war kam ein erster Platzregen. Trockenen Fusses konnte ich diesen im Tarp überstehen. Das Wetterschauspiel war einmalig. Obwohl Graupel dabei war lief das Wasser schnell ab und die Felsen wurden gar nicht richtig nass. Eine halbe Stunde später kam die Sonne wieder zum Vorschein und ich betrieb erfolgreich meinen Hobo und kochte mir einen Gestensuppe mit Wurststücken. Danach genoss ich einfach noch den Abend mit einem heissen Tee und verkroch mich dann geben 22 Uhr mit aufsteigendem Nebel in meinem Schlafsack im Tarp.


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    Aussicht aus dem Tarp auf das Wetterschauspiel.


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    Mein treuer und schwerer Hobo.


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    Für die einen gilt "batoning sucks" - mir gab es eine warme Suppe.


    Gegen 2 Uhr morgens erwachte ich weil es wie aus Kübeln schüttete. Auch Donner und Blitze waren zu hören und sehen. Mein Tarp schien aber wasserdicht zu sein, bzw. auch durch die flache Bauweise war ich vom Wind geschützt und lag im Trockenen. Kurz machte ich mir noch Gedanken über Blitze und den Metallhobo, schlief dann aber irgendwann wieder ein.


    Kurz nach sieben erwachte ich und war erstaunt wie lange ich geschlafen hatte. Das Wetter erstrahle in stahlblauen Himmel und ich hörte wieder die Murmeltiere. Aufgeschreckt durch meine Bewegungen rannten sie ca. 20m von mir wieder in ihre Löcher in Sicherheit. So machte ich mir ein Frühstück und kochte Wasser ab (es hatte sich ein kleine Lache mit Regenwasser auf dem Tarp gebildet – somit weiss ich nun auch, dass mein Tarp 100% wasserdicht ist). Danach baute ich mein Lager ab und erstellte alles wieder in "Originalzustand". Mit einer Rundtour bis zu einem Gipfel, bzw. Abstieg bis zum Auto schloss ich meine Tour ab.


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    Nicht ganz perfekt aufgestelltes Tarp mit Regenwasser, aber besser hier als in meinem Schlafsack und noch besser als Kaffeewasser.


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    Der Morgen danach.


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    Herrliches Bergpanorama.


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    Mein Hausberg in neuem Licht


    Fazit: Es war ein tolles Erlebnis und mal was anderes als um die Ecke im Wald. Den Wasserverbrauch hatte ich total unterschätzt, konnte aber durch Regenwasser gut ergänzt werden (auch der Bergbach wäre eine gute Alternative gewesen – aber warum sich anstrengen und 300m absteigen wenn es auch gratis geht). Das Holz und den (diesen) Hobo mitzubringen war ein Overkill, war aber brauchbar als Heizung (am Morgen war es 5°) und das Wasser kochte innerhalb wenigen Minuten. Der Platz würde sich auch gut für ein Treffen in kleinerem Rahmen eignen. Nur wäre es halt kein Treffen wo man wie gewohnt mit dem Auto vorfahren kann, bzw. max. 5 Minuten laufen muss. Ein Fussmarsch von ca. 2 Stunden im Hochgebirge wäre vonnöten mit allem was man braucht (oder auch nicht) auf dem Rücken. Nicht für jedermann geeignet – aber auch nicht unmöglich und vor allem sehr zu empfehlen.

  • Toller Bericht!


    Das mit dem Biwaksack als Zusatz war weise. Nach meinen Erlebnissen mit "100% Luftfeuchtigkeit" weiß ich, dass ein Tarp in den Bergen nicht langen kann.


    Wasser und Holz ist ggf. ein Problem in den Bergen. Man muss stets bemüht sein die Flasche Voll zu halten. Manchmal dauert es ewig bis man an Wasser kommt, dafür kann man es stellenweise direkt aus dem Wasserlauf trinken. Holz ist ab 2.00m-2.400 m üNN ein Problem, deswegen nehme ich da einen Fossilgasbrenner mit.

  • Toller Bericht, Dankeschön fürs mitnehmen. Die Fotos machen glatt Laune aufs Nachmachen.
    @realtree: Nur so aus Interesse, wieviele Höhenmeter musstest Du aufsteigen bis zu Deinem Biwakplatz auf dieser 'Steinwiese'?
    Deine Tarpkonstruktion sieht echt originell und zudem sehr zuverlässig aus. Dass das Tarp ein Gewitter überstanden hat spricht für die Funktionstüchtigkeit, meinen Respekt. Sind vielleicht zusätzliche Fotos vorhanden, welche die 1-Stock Abspannmethode im Detail zeigen?
    Was Biwaksack und Kocherauswahl fürs Gebirge anbelangt, kann ich mich benbushcraft nur anschließen - jeder soll aber das auswählen was er für richtig erachtet.
    Trinkwasserverfügbarkeit ist in den Bergen wirklich problematisch, das kann ich echt bestätigen. Hab hierfür auch immer einen faltbaren 4L- oder 6L Wassersack dabei, aber Wasser über längere Strecken bergan zu schleppen ist nicht spaßig. Da in einiger Entfernung Schneefelder zu sehen sind (Nähe/Weite täuscht oft auf Fotos): Schnee und Eis sind eine zuverlässige Wasserresource in großen Höhen, man benötigt fürs Schmelzen leider zusätzlichen Brennstoff. Mit einem einzigen Holzscheid wird man nicht allzuviel geschmolzen bekommen und zudem ist das Wasser oft nicht wirklich sauber von den Partikeln welche sich aus der Luft im Schnee ablagern.


    Würde mich echt freuen, wenn ich noch einige weitere Tarps im Hochgebirge zu sehen bekäme!

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    Tu eh nur so als würd ich mich auskennen, damit ich auch mitreden kann.
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  • benbushcraft - Was ist ein Fossilgasbrenner? Einfach ein kleiner (Butan-)Gasbrenner? Und ja, der Biwaksack war sicher sehr hilfreich, speziell da ich nur eine dünne und relativ kleine Isomatte dabei hatte.


    bugikraxn - Ich denke ich bin ca. in zwei Stunden 500 Höhenmeter bis zu meinem Biwakplatz aufgestiegen. Das Gelände dort ist langsam ansteigend und mit dem richtigen Schuhwerk gut begehbar. Das Tarp wollte ich vor allem flach halten damit der Wind wenig Angriffsfläche hat. Der Untergrund, bzw. das Erdreich dort ist relativ dünn und immer wieder mit Kiesel und grössen Steinen etc. bis zum Fels durchzogen. Heringe oder ein Loch für eine Mittelstange zu graben wären wohl kaum eine machbare Alternative gewesen. Anhand des weiteren Bildes erkennst du den aufgeschichteten Steinhaufen (rechts) für den Wanderstock. Diesen habe ich dann einfach mit der Paracordleine am Tarp befestigt, bzw. mit dem grossen Stein vorne abgespannt. Es ist eine ganz einfach Bauweise - was ja auch der Sinn eines Tarps ist. Im Nachhinein war ich sehr froh mich für das schwerere und grössere Tarp beim Packen entschieden zu haben. Es gäbe sicher noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber erstens bin ich nicht wirklich ein Spezialist für Tarps und zweitens hatte ich die Gewitterwolken im Nacken und die Zeit rannte mir auch sonst davon. Hingegen denke ich soviel falsch habe ich nicht gemacht, bzw. ich hatte eine trockene Nacht.


    Die Gegend dort ist zurzeit (ich weiss nicht ob dies immer so ist) sehr wasserreich und auch der Schnee war in Reichweite. Nur eben, zum Schmelzen braucht es Brennstoff – welchen ich nicht im Überfluss dabei hatte (aber es war mehr als ein Holzscheit und im Notfall hätte ich noch den Wanderstock verheizt). Und den Hobo habe ich einfach mitgenommen, weil ich nichts anderes zur Hand hatte. Das unerwartete Glück mit dem Regenwasser hat mich dann wie gesagt davor bewahrt für meinen Morgenkaffee zum Bergbach runtersteigen zu müssen. An der Menge kann man sich auch etwa ein Bild des Niederschlags/Unwetters machen. Das waren sicher 3-4 Liter.


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    Einfacher Tarpaufbau im Gebirge mit Wanderstock.


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    Das Wetter kurz vor neun Uhr abends.


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    Nebel zieht auf.

  • Ein schöner Bericht. Zur selben Zeit war ich auch in den Alpen unterwegs.
    Eine Frage aber. Irgendwo schriebst du du hast das Wasser abgekocht. Macht ihr das wirklich, Wasser aus dem Hochgebirge abkochen? Das ist doch ziemlich sinnfrei und und nur Brennstoffverschwendung, so sauber wie das ist.

  • Es war ja Regenwasser, also wäre ein Abkochen nicht wirklich nötig gewesen. Aber Kaffee mit kaltem Wasser mag ich nicht so - ich denke es ist eher (m)eine unglückliche Schreibweise (Schweizerdeutsch - Hochdeutsch) die ich da gewählt habe. Hätte ich jedoch Wasser aus dem Bergbach genommen, hätte ich es abgekocht. Bis auf ca. 2400m habe ich noch vereinzelt Nutztiere gesehen - die sind recht berggängig. Wahrscheinlich wäre das Wasser aber unbedenklich geniessbar gewesen, aber ich bin da gerne auf der sicheren Seite.

  • Alles klar hab das missverstanden.
    Hab selber noch nie Wasser im Gebirge abgekocht. Trotz Nutzvieh oberhalb. Ich denke immer dass durch die schnelle Bewegung und den hohen Sauerstoffeintrag die Selbstreinigungskraft des Wassers stark genug sein muss damit falls eine kleine Kontaminierung durch ein paar Schafsköttel schnell wieder bereinigt ist.
    Lasse mich aber gerne eines besseren belehren falls das nicht stimmt.

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