ÖBH Zeltbahnanorak

  • Hallo miteinander! Hier mein Bericht über die Anfertigung eines Anorak aus alten Zeltbahnen des Österreicher Bundesheer.


    Als kleine Vorgeschichte mu߸ ich erwähnen dass ich von solchen Nähprojekten schon immer fasziniert war und als sich mir die Frage stellte
    was man denn nun mit der Kohle machen soll die man zu Weihnachten bekommen hat stand eine Nähmaschine weit oben auf der Wunschliste.
    Nach einiger recherche im Netz wurde mir von günstigen neuen Modellen abgeraten weil wohl die meisten nur dünne Stoffe verarbeiten können und verarbeitungstechnisch unteres Chinaniveau sind.Weil ich für ein besseres Modell dann aber doch zu geizig bin sollte es dann eine gebrauchte Pfaff 230 werden, die dann auch kurzer Hand auf ebay geschossen wurde. Nun hab ich das Teil und nach langem und leidvollem einstellen und ausprobieren läuft sie auch ganz gut und hat genug Power um z.B. Cordura oder dünnes Leder zu nähen.


    Also was machen mit dem Ding war die Frage. Nun hab ich ja eine Regenjacke die schön leicht und auch wasserdicht ist aber für den Winter zu kalt, zu wenig atmungsaktiv und am Feuer oder im Unterholz zu fragil ist. Demnach wuchs in mir der Wunsch nach einem ganz einfachem Anorak aus robustem Material. Angeregt durch die vielen ähnlichen Projekte die es hier schon gibt und durch den Mangel an bezahlbaren Alternativen am Markt hab ich mir dann gedacht so ein Ding kann ich auch selber machen.
    Weil es mein erstes selbst geschneidertes Werk war sollten die die kosten natürlich im Rahmen bleiben.Nur für den Fall dass ich es verbrätzel und hinterher alles in die Tonne geht. Nach einiger Überlegung hab ich mir dann zwei Zeltbahnen des ÖBH(100%Baumwolle) bestellt, klar gibt es da bestimmt besseren Stoff für das Geld aber ich hab einen gewissen Fimmel für abgeranzten Militärkram, außerdem hat mir das Tarnmuster einfach angetörnt. Die Zeltbahnen waren beide in brauchbarem Zustand, die eine war etwas blasser und hatte einen Flicken aber zum zerschnibbeln
    noch lange gut genug.
    Als Vorlage hab ich mir die Fairbanks Anorak Vorlage von Green Pepper bestellt aber nach kurzer Überlegung in den Schrank verbannt, das war mir einfach zu viel gestückel, ich wollte den Schnitt lieber aus so wenig Teilen wie möglich. Also habe ich den Schnitt quasi selbst entworfen
    wobei ich bei allen möglichen Jacken und Pullis in meinem Kleiderschrank Maße entnommen habe.
    Das aufzeichnen und ausschneiden hat mindestens genauso lange gedauert wie das eigentliche nähen. Mit der Zeit ist dann doch immer mehr dazu gekommen so dass ich am Ende doch ganze 24 Stücke Stoff miteinander verbastelt habe, als absoluter Noob auf dem Gebiet hat mich das dann auch ne Masse Lehrgeld und Hirnschmalz gekostet.
    Insgesamt war ich doch überrascht wie viel Material und Zeit in solcher Arbeit steckt. Wie lange ich genau gebraucht habe kann ich nicht sagen weil ich immer nur unregelmßig weitergearbeitet habe, am ende waren es so ca. zwei Wochen.


    Gefüttert sind nur die Kapuze und der Schulterbereich, als Material musste hier eine alte Fleecedecke herhalten an der ich mich schon
    mehrmals bedient hatte.



    Bei der Gestaltung der Taschen wollte ich lieber eine große als viele kleine. Mir war wichtig dass - 1. Meine Hände beide reinpassen und sich gegenseitig wärmen können.
    2. Eine Wanderkarte zusammen mit meinen Handschuhen und zur Not einer 1L Wasserflasche reinpasst.
    3. Die Tasche hoch genug angebracht ist um noch eine Koppel tragen zu können.


    Das was von allem am meisten nervt und unglaublich aufhält sind die vielen fummelarbeiten wie Knopflöcher nähen,Kanten versäumen ,
    Kordeln einziehen, Knöpfe annähen usw. Die großen Teile zusammenfügen geht recht fix.
    Ich habe bewusst nur Knöpfe verwendet um den rustikalen Stil zu betonen, wenn ich nochmal sowas mache kommen aber wieder
    Klett- und Reißverschlüsse zum Einsatz; Ist zwar weniger robust aber einfach praktischer.


    Als ich dann mit nähen fertig war und die anprobe auch zufriedenstellend verlaufen ist wollte ich noch die Wasserfestigkeit verbessern und
    habe einen angebrochenen Klotz Greenlandwachs eingeschmolzen und aufgepinselt. Dabei musste ich feststellen dass bei der Pinselmethode
    doch eine ganze menge Wachs drauf geht, so das ich nachdem Kapuze und Torso bepinselt waren nichts mehr über hatte und für die Ärmel
    mit Teelichtern improvisieren musste.
    Danach hab ich das Prachtstück dann eine Stunde bei 70C in den Backofen verfrachtet damit das Wachs gut einziehen kann.
    Das Ergebnis dieser Hardcorewachsbehandlung war dass der Anorak zwar nahezu Wasserdicht ist, jedoch auch steif wie ein Brett.
    Nach ein paar mal knüllen und hin und her Rollen gehts aber wieder.

    Fazit meines ersten großen Nähprojektes ist - Nun ja jede Naht ein Unikat , an dem gesamten Anorak ist wirklich nichts richtig gerade oder
    gar symmetrisch was aber in der Praxis nicht übermäßig auffällt. Der Hals ist wenn man alle Knöpfe schließt recht eng und das An- und Ausziehen ist naturgemäß etwas fummelig.
    Seis drum! Allein weils selbst gemacht ist find ich das Resultat super geil und für den Wald ist der Anorak lange gut genug.
    Hab ihn leider noch nicht ausgiebig getestet, nur mal bei einer kurzen Tour und beim schneeschaufel vorm Haus.
    Bis jezt ist er immer noch stark wasserabweisend, winddicht und auch Atmungsaktiver als meine Hardshell.


    Hier noch ein Paar Daten der vollständigkeit halber: Gewicht mit Wachs ca. 1000gr
    Packmaß zusammengerollt 60x15cm
    Gekostet hat der ganze Spaß: 2x Zeltbahn 13,99€ von Armeeverkauf.de
    4x Kittelknöpfe groß ca. 0,15€ vom Phillip Thomas Havariewareladen
    4x Slotted button 28mm 0,49€ von tactical trim
    1x Slotted button 19mm 0,49€ von tactical trim
    4x Kordelstopper 0,50€ von tactical trim
    ca. 2m Paracord 550 0.50€ der Meter auch von tacticl trim
    Plus das garn ????
    Macht zusammen 34,05€ (hab jetzt im Kopf gerechnet hoffe das stimmt)


    So langer Text kurzer Sinn , ich hoffe ihr habt Spaß mit dem Beitrag! (Und hoffentlich funzt das mit den Fotos)

  • Hey Boggo schön das dir meine Kreation gefällt!
    Ich hoffe ich hab deine Frage jetzt richtig verstanden; Nein der Anorak ist definitiv als äußerste Kleidungsschicht gedacht. Du darfst dir das nicht wie ein Sweatshirt vorstellen. Das Ding wiegt immer hin ein Kilo und das Material ist durch das wachsen und auch von sich aus recht steif.
    Wenn man da noch was drüberziehen würde, würde man mit Sicherheit schwitzen und wäre in der Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.

  • So da ich nun mal wieder etwas Zeit hatte mich durchs heimische Outback zu schlagen gibt´s jetzt die Ergebnisse vom Praxistest meines Anorak.
    Wie viele von euch schon vermutet haben war das mit dem Wachs dann doch ein bissel viel. Nach ein paar kurzen Picknickausflügen mit schweißtreibenden anstiegen und einigen Kilometern am Fahrrad hat sich herausgestellt dass die Atmungsaktivität noch stark zu wünschen übrig lässt. Außerdem war das Gewebe , besonders an den Ärmeln wo ich das Kerzenwachs benutzt habe, noch sehr Steif. Am Torso ist das garnicht so schlimm aber an den Ärmeln und der Kapuze nervt es schon.
    Um wieder ein bisschen Wachs loszuwerden hab ich den Anorak bei 40C ohne Waschmittel in die Waschmaschine verfrachtet. Das Ergebnis war außer weißen Verfärbungen durch das Kerzenwachs an den Ärmeln gleich null. Also nochmal eine runde in die Waschmaschine diesmal bei 60C, und siehe da - Dieses mal war der Anorak schon viel weicher. Nach dem trocknen hab ich dann noch die Verfärbungen mit dem Bügeleisen ausgebügelt und war somit ganz zufrieden.
    Im weiterem verlauf der Felderprobung hab ich unter anderem auch eine etwas längere Tour mit Übernachtung gemacht. Fazit nach einigem tragen ist das die Atmungsaktivität vielleicht noch ein klein wenig besser seien könnte, wobei ich bei großer Anstrengung in fast allen Stoffen
    schwitze, deshalb bleibt es jetzt erstmal so.Es verhält sich genau wie bei syntetischen Stoffen auch- Je mehr Wasserdicht um so weniger Atmet das Gewebe, man muss da halt seinen Mittelweg finden. Nächstes mal werde ich auf jeden Fall weniger Wachs nehmen und die Stellen unter den Achseln frei lassen. Die Haptik des Stoffes liegt nun irgendwo zwischen schwerem Jeans und leichtem Leder. Besonders hervorzuheben ist die große Robustheit - Auch starker Funkenflug ebenso wie Dornengebüsch und spitze Äste sind kein Problem, man fühlt sich wie die Schildkröte im Panzer. Erstaunlich für mich ist die immer noch recht starke wasserabweisende Wirkung des Materials, was besonders in den für diese Region typischen nasskalten Wintern mit langen Tau- und Schmuddelwetterperioden nicht ganz unwichtig ist.


    So im Waschbecken voller Wasser dauert es ca. 5 Minuten bis es anfängt langsam durchzuweichen. Ich denke im Regen wird es schon sehr lange dauern bis da was durchkommt weil der Druck viel geringer ist.Schnee ist jedenfalls kein Problem.


    Last but not least ergibt der Anorak auch ein wahrlich hervorragendes Kopfkissen. Auch als Unterlage oder "Fussbivaksack" zum schutz gegen Funken ist er gut geeignet.

  • Echt toller Anorak. Ich mag ja solche Schlupfjacken ohnehin total gerne, obwohl sie ja eigentlich zum An- und Ausziehen eher unpraktisch sind. Das Muster finde ich auch noch einigermaßen dezent, echt prima umgesetzt.


    Bezüglich des Wachsens hatte ich allerdings sofort meine Bedenken. Ich hatte mal eine Barbour-Jacke, die regelmäßig gewachst werden musste. Das Problem war einfach, dass sie nie wirklich atmungsaktiv war, ich habe darin geschwitzt wie Sau und wenn es geregnet hat, kam doch nach kurzer Zeit das Wasser durch. Außerdem hatte die Jacke immer einen etwas unangenehmen Wachsgeruch und hat sowohl den Geruch, als auch Reste vom Wachs immer gerne überall hinterlassen (z.B. auf Autositzen). Von daher bin ich mittlerweile von Wachsjacken komplett abgekommen.


    Viele Grüße,


    morph

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!