Hier ein Thema welches mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Fliegt man heutzutage über den europäischen Kontinent wird man mit Ausnahmen des äussersten Nordens und Ostens einen Flickenteppich aus Felder, Weiden, Straßen, Siedlungen und Wäldern sehen.
Dies war, wie vielleicht viele von euch wissen nicht immer so gewesen.
Mit dem Ende der jüngeren Weichselkaltzeit und dem abschmelzen der Inlandeiskappen über Nordeuropa und den Alpen, breiteten sich nach ca. 10.000 v. chr. allmählich wieder Wälder in Europa aus.
Die ersten Bäume die die Tundra besiedelten waren Birken und Kiefern als Pionierbäume, daraufhin folgte Hasel und weiter später Eichen, Ulmen, Linden Mischwälder. Die Buche als dominierender Baum setzte sich erst zur Bronzezeit gegen 2000 v. Chr. durch.
Auf Pollendiagrammen erkennt man den Werdegang des mitteleuropäischen Waldes und die bestimmenden Baumarten.
Hier ist eines als Beispiel.
http://www.landschaftsmuseum.d…diagramm_Buchenseen-2.jpg
Mit der neolithischen Revolution, die von Mesopotamien aus seinen Anfang nahm und sich über Südosteuropa ausbreitete und mit der Bandkeramik in Europa die erste bäuerliche Kultur schaffte, kam der Ackerbau udn die Viehzucht nach Zentraleuropa.
Ab diesem Zeitpunkt haben die Menschen Wälder gerodet um das Land urbar zu machen und Stückweise gingen die Wälder zurück. Doch der Status Quo war eigentlich über Jahrtausende recht stabil und das Europa nördlich der Alpen war weiterhin von riesigen Wäldern und Sümpfen bedeckt unterbrochen von winzigen Siedlungskammern.
Auch am Mittelmeer herrschten ursprünglich Urwälder vor und was wir heute als typisch mediterrane Landschaften anerkennen sind eigentlich jahrtausende alte, von Römern, Griechen, Etruskern und Phöniziern geschaffene Kulturlandschaften.
Durch das ausgreifen des Imperium Romanum kamen die großen Rodungen auch nach Zentraleuropa. Dies wirkte vor allem in Gallien nachhaltig, wärend im freien Germanien weiterhin uralte Wälder standen, von denen Tacitus mit Schrecken berichtet.
Nach dem Zerfall des Weströmischen Imperium und wärend der Wirren der Völkerwanderungszeit kam es zu einer teilweisen Wiederbewaldung Europas. Erst durch die Schaffung des großen fränkischen Reiches welches sich nachher zu Frankreich und dem heiligen römischen Reich teilen sollte und durch großantgelegte Klostergründungen bereits Karls des großen, wurden große Breschen in die Wälder geschlagen.
Zentraleuropa wurde bis zur frühen Neuzeit mehr und mehr entwaldet. Dies führte im 18. Jahrhundert, dem Maximum der Entwaldung, zu einer großen Holznot und langsam setzte sich die Erkentniss einer nachhaltigen Waldnutzung mit Wiederaufforstung durch wie wir sie heute kennen.
Heutzutage bedecken wieder Wälder ein drittel der Landesfläche Deutschland, doch die alten Wälder sind verschwunden. Nun fast. Es gibt noch einige Kleinode die sich vor allem im Hohen Norden und Osten Europas befinden und sich aufgrund ihrer Unzugänglichkeit oder unwirtschaftlichekeit erhalten haben.
Im Norden Europas sei hier vor allem der Muddus Nationalpark zu nennen, ein typischer borealer Wald mit vielen Kiefern.
http://de.wikipedia.org/wiki/Muddus
Ich war selbst noch nie dort erwähne ihn also nur kurz.
Gleiches gilt für den Bialowieza Nationalpark, einem der letzten Tieflandurwälder Europas ausserhalb des Buchenareals.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bialowieza
Die größten reinen Buchenurwälder finden sich in den ukrainischen Karpaten wovon der Uholsko-Shyrokoluzhanskyy Nationalpark mit 10.000 ha der größte ist.
Im Semenicnationalpark der westlichsten Ausläufer der Südkarpaten befindet sich ebenfalls ein sehr großes Areal.
Zusammengenommen haben die Nationalparks Retezat und Domgled-Valea Cernei das größte Urwaldareal Osteuropas, und decken alle Höhenzonen bis zur Waldgrenze ab.
Zu Erwähnen sei hier noch das Totalresrvat "Gemenele"im Retezat. Dieses ist ein wissenschaftliches Observationsgebiet, welches sich von 700 m bis über 2000 m Meereshöhe erstreckt und fast alle Stufen des Bergwaldes abdeckt. Ich hoffe irgendwie dieses Jahr dorthin zu gelangen und vielleicht auch eine Erlaubniss von der rumänischen Akademie, für die Durchquerung dieser Wildniss zu erlangen.
Aber auch über die gesamten Karpaten verteilt gibt es kleinere Urwaldareale. In fast jedem Gebirgsmassiv finden sich solche alten Wälder in den unzugänglichen Schluchten und Berghängen.
Von einigen dieser Plätze will ich nun berichten.
Trotz seiner nur 1294 m ist der Zeidner Berg (Magura Codlei) an dessen Fuß die deutsche Siedlung Zeiden liegt ein ganz besonderer Berg. Nicht nur dass ich persönlich sehr viel mit ihm verbinde, es erstreckt sich auch ein vollkommen wilder, von Menschen ungenutzter Laubwald an seinen Hängen. Ganz besonders wild ist der nördliche Kammbereich.
Hier liegen alte Baumriesen und vermodern was ein sehr wichtiger Faktor für die Artnevielfalt darstellt.
Denn in dem vermodernden Holz leben unzählige Larven sonst selten gewordener Arten, wie dem hier abgebildeten Alpenbock (Rosalia alpina) oder dem Hirschkäfer (Lucanus cervus)
Auch unzählige Pilzarten fühlen sich auf den toten Stämmen wohl und sorgen für die Zersetzung des Holzes.
Worunter auch so riesige Exemplare wie dieses hier fallen.
Urwald ist nicht gleich Urwald und je nach Hanglage, Höhe und Bodenart können die Wälder sehr unterschiedlich aussehen. Auffällig in diesem Wald, ist dass eine dichte Schicht an Schößlingen unter den Baumriesen heranwächst. Im Frühjahr ist der Waldboden ein Blütenmeer. Leider hab ich keine Fotos vom Frühlingshaften Wald.
Ungeachtet der objektiven Beobachtungen hat dieser Wald einfach eine unglaubliche Ausstrahlung die man unmöglich beschreiben kann und sich auf Bildern kaum einfangen lässt. Obwohl man gar nicht mal so weit von der Zivilisation entfernt ist, wie an anderen Orten der Karpaten fühlt man sich völlig entrückt. Die Welt der Menschen wirkt so fern. Es ist als sei man in einer anderen Zeit oder besser noch Zeitlos.
Das Durchkommen gestaltet sich Abenteurlich wie sich das für so einen Wald gehört. Da die alte Markierung in dem Unterholz seit Jahren nicht mehr zu erkennen ist muss man sich querfeldein bergab schlagen, Tierpfade nehmen und sich darüber freuen dass man dort ist wo sonst nie einer ist.
Auf der anderen Seite des Berges am Südhang ist es sehr felsig, die Bäume kleiner und es wächst sehr viel Unterholz, wärend die Nordseite einer gotischen Kathedrale gleicht.
Am Karpatenhauptkamm steigen die Berge viel höher und erreichen hier über 2000 m. Das besondere ist, dass wenn man die richtigen Stellen kennt dem völlig wilden Wald, weglos bis an die Baumgrenze folgen kann und dabei zusehen kann wie er sich verändert.
Von einem Buchenmischwald
geht der Wald stückweise zur montanen Stufe über udn es kommen mehr Ahorne, Weißtannen und die ersten Fichten auf.
Weiter oben werden die Fichtne zur dominierenden Baumart. Wie man hier vielleicht schon sieht unterscheidet sich so ein Bergfichtenwald schon deutlich von den in Reihen gepflanzten Monokulturen in Deutschland. Der Wald an sich ist stellenweise viel lichter, weil durch Sturm und Schnee immer wieder Bäume umfallen und so in den lichten Wäldern eine dichte Krautschicht aus Heidelbeeren und Preiselbeeren entstehen kann. Hier treten auch im Juli schon riesige Mengen von Pilzen auf, die langsam nach unten wandern. So hat man im Hochgebirge faktisch eine viel längere Pilzsaison, weil man einfach die Höhenstufen heruntergehen kann. ähnlich aber umgekehrt funktioniert es auch mit den Früchten und essbaren Pflanzen. Ich hab dort im Juli noch Bärlauch auf 1400 m gegessen.
Irgendwann können auch die Fichten den winterstürmen und der Kälte nicht mehr trotzen und ab ca. 1800 m, je nach Hanglage und exponierung mal mehr mal weniger kommt man langsam aus dem Wald heraus.
Hier wo fast mehr tote als lebende Bäume stehen bildet sich eine intensive Krautschicht mit vielen Waldfrüchten. Man trifft an diesen Stellen häufig auf Bären die sich den Winterspeck anfuttern.
geht man den Berg nun durch die wilden vom Wasser geformten Schluchten und Täler herunter muss man die Bergbäche öfter auf solchen Naturbrücken überqueren.
Mit diesem Bild beende ich meinen Artikel. Ich hoffe er war recht lehrreich und vielleicht will der eine oder andere ja auch mal einen dieser alten Wälder besuchen und erleben und sich für ihren Schutz einsetzen, denn es sind lnicht alle geschützt oder gar bekannt und Abholzung ist immer ein Problem.
Was ebenfalls sehr schön wäre wäre Berichte von anderen europäischen Urwäldern seien sie aus Skandinavien, Russland, dem Kaukasus oder auch den alten Wäldern Deutschlands, wie dem Kellerwald die zwar keine wirklichen Urwälder sind aber sehr Naturnah und natürlich auch wilden Wäldern die kaum oder gar nicht bekannt sind. Ich denk mal hier sind ja einige schon ganz schön rumgekommen.
Beizeiten wenn ich neue Bilder hab, werd ich hier auch noch was reinwerfen.